Der Missbrauch-Skandal in der katholischen Kirche macht nach Ansicht des deutschen Kurienkardinals Walter Kasper kirchenintern eine "ernsthafte Reinigung" dringend erforderlich. Es sei gut, dass Papst Benedikt XVI. Klarheit schaffen wolle und "Null- Toleran" denen gegenüber verlange, die sich mit so schwerer Schuld beschmutzten, sagte Kasper der römischen Tageszeitung "La Repubblica". Nach Ansicht von Bayerns Justizministerin Beate Merk birgt der Skandal ernste Gefahren für das Verhältnis von Staat und Kirche. Die CSU-Politikerin mahnte vor allen eine bessere Zusammenarbeit der Kirche mit der Justiz an. "Es gibt Fälle, in denen es nicht so läuft, wie es laufen sollte", sagte Merk der "Süddeutschen Zeitung".
Wenn sich herausstelle, dass die Kirche der Staatsanwaltschaft bewusst Verdachtsfälle von Kindesmissbrauch verschwiegen habe, dann werde das Verhältnis von Staat und Kirche beschädigt. Sie forderte zudem, die Verjährungsfristen bei Kindesmissbrauch auf 30 Jahre zu erweitern. Die jetzigen Verjährungsfristen seien viel zu kurz. Am Freitag hatten Kirchenbeauftragte zahlreiche Details zu Missbrauchsfällen im oberbayerischen Kloster Ettal sowie bei den Regensburger Domspatzen bekanntgegeben.
Fälle an der "Odenwaldschule"
Auch an der privaten Odenwaldschule in Südhessen wurde nach einem Bericht der "Frankfurter Rundschau" der massive Missbrauch von Schülern jahrelang vertuscht. Von 1971 bis 1985 könnte es bis zu 100 Opfer gegeben haben, schreibt das Blatt. Die Vorwürfe richten sich vor allem gegen den damaligen Leiter der Eliteschule, aber auch gegen andere Lehrer. In einer Erklärung auf der Internetseite der Schule räumt Schulleiterin Margarita Kaufmann ein, das Ausmaß des Missbrauchs sei größer als bisher bekannt, die Schule sei "durch die Berichte der Opfer und das Ausmaß der Verbrechen massiv erschüttert und irritiert".
Mehrere frühere Regensburger Domspatzen, die sexuell missbraucht oder körperlich misshandelt wurden, sind nach Informationen des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" bei Therapeuten im Münchner Raum in Behandlung. Ein Betroffener aus dem Allgäu habe von grausamen Ritualen im Internat Etterzhausen berichtet, einer Vorschule für jüngere Schüler, aus dem sich Regenburgs Domspatzen rekrutierten. Dort habe Ende der 1950er Jahre der Direktor, ein katholischer Priester, härteste Strafen verhängt. So habe er oft auch in seinen Privaträumen ein "Nacktprügeln" betrieben, bei dem sich die acht- bis neunjährigen Kinder entblößen mussten und Schläge mit der Hand bekamen
Sadistische Strafen
Der Regisseur und Komponist Franz Wittenbrink, der bis 1967 im Regensburger Internat der Domspatzen lebte, sprach dem Bericht zufolge von einem "ausgeklügelten System sadistischer Strafen verbunden mit sexueller Lust", das dort bestand. Der damalige Internatsdirektor habe sich "abends im Schlafsaal zwei, drei von uns Jungs ausgesucht, die er in seine Wohnung mitnahm". Dort habe es Rotwein gegeben und der Priester habe mit den Minderjährigen masturbiert. "Jeder wusste es", sagte Wittenbrink, ein Neffe des damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Alfons Goppel (CSU).
"Warum der Papstbruder Georg Ratzinger, der seit 1964 Domkapellmeister war, davon nichts mitbekommen haben soll, ist mir unerklärlich." In seinem Jahrgang habe ein Mitschüler kurz vor dem Abitur Selbstmord begangen.
Ärger innerhalb der Kirche
Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Focus" ist der oberste Benediktiner, Abtprimas Notker Wolf, verärgert über die Aktivitäten der Erzdiözese München und Freising nach den Missbrauchsfällen im Benediktinerkloster Ettal. Es müsse geklärt werden, «ob die Erzdiözese so mit einer Abtei umgehen kann, wie sie es jetzt tut, beispielsweise die Schließung der Schule anzudrohen, falls der Schulleiter nicht zurücktritt, ohne dass diesem das Geringste vorgeworfen werden kann», sagte Wolf.
dpa