Ikea-Fertighaus: Wohnst du noch oder lebst du schon?

Ikea-Fertighaus: Wohnst du noch oder lebst du schon?
Auf dem Parkplatz des Ikea in Hofheim-Wallau steht ein grau-weißer Klotz, direkt unter dem gigantischen Ikea-Schild. Es ist das Modellhaus "Immeln", Ikeas Vorstoß in den Immobilienmarkt. Quadratisch, praktisch, gut, das ist der erste Eindruck, der sich von außen aufdrängt. Erst beim zweiten Blick fällt auf: Quadratisch stimmt ja gar nicht, das Musterhaus ist mit einer aufgemalten Fassade des nächsten Hauses in der Reihe von außen künstlich aufgeblasen. Also rechteckig, aber wie praktisch und gut ist es denn dann? Stimmt der erste Eindruck?
03.03.2010
Von Hanno Terbuyken

Um das Haus schleicht an diesem Mittwochvormittag im strahlenden Sonnenschein eine ganze Horde Journalisten. Kamerateams und Fotografen dürfen schon mal durch das Haus laufen und ihre Bilder machen. Offiziell eröffnet wird "Immeln" heute, es ist das erste Ikea-Haus in Deutschland. Das stimmt nicht ganz: Eigentlich ist es ein BoKlok-Haus, entwickelt von Ikea, gebaut und vertrieben von lokalen Partnern. " BoKlok" ist schwedisch für "wohne clever", sagen die Ikea-Presseleute. Lebensqualität, helle Räume und einen günstigen Preis versprechen die Werbeplakate, die im Pressezelt hängen. In Skandinavien und England gibt es die BoKlok-Häuser und -Wohnungen schon länger, 4.000 Häuser sind dort seit der Mitte der 90er Jahre entstanden.

[linkbox:nid=13677;title=Fotogalerie vom Modellhaus Immeln]

Es ist ein Medienevent, diese Eröffnung des Ikea-Fertighauses. "Formschöne Dinge, die sich möglichst viele Menschen leisten können", das ist die Mission des schwedischen Möbelmachers, erklärt Pressesprecherin Sabine Nold den versammelten Journalisten. Die schreiben mit, aber eigentlich wollen sie ins Haus. Dafür sind sie schließlich hier. Auch die Vertreter der Gemeinden, in denen die ersten BoKlok-Wohnanlagen gebaut werden, sind da – nur nicht die aus Hofheim-Langenheim, wo Gemeindevertreter den Bebauungsplan aus grundsätzlichen Bedenken gestoppt hatten. PR-Frau Nold handelt das mit einem Nebensatz ab, die Probleme seien ausgeräumt. Zumindest weitgehend.

Kein Meter Platz bleibt ungenutzt

Von innen macht das Musterhaus den Eindruck, als sei es etwas zu heiß gewaschen worden. Die ersten Schritte führen in einen halbwegs geräumigen Eingangsbereich, dann dreht man sich nach links und steht sofort mitten in der Küche, natürlich von Ikea. Die ganze Inneneinrichtung sieht aus, als hätten die Dekorateure den Ikea-Katalog aufgemacht und einmal kräftig geschüttelt, damit alle Dinge an ihren rechten Platz rücken. Wer allerdings in der Küche mit mehr als vier Leuten sitzen möchte, muss schon fast stapeln.

Von der Küche geht es an der Treppe vorbei direkt ins Wohnzimmer. Eine Wand voll Billy, ein rotes Sofa, ein Rattan-Sessel – das war's auch schon. 21 Quadratmeter Wohnzimmer sind da, im Musterhaus allerdings in zwei kleine Teile geteilt durch eine "Multimedia-Wand", vor der der Fernseher steht. Die kann man aber rausnehmen. Trotzdem: Viel Platz bleibt da nicht. Überhaupt ist das ganze Haus von innen sehr effizient ausgestaltet – kein Meter Platz bleibt ungenutzt, von den Regalen an der Wohnimmerwand über das Bad ohne Fenster bis zum Schuhschrank in der Fünf-Quadratmeter-Ankleide im ersten Stock.

Immerhin ist es hell, das Versprechen hält BoKlok ein. "Die Häuser sollen freundlich sein", sagt Philipp Mühlbauer von Bien-Zenker. Der Fertighaushersteller ist der Partner für BoKlok Deutschland und stellt "Immeln" und "Fryken" in Holzrahmen-Bauweise her. Das Holz kommt aus nachhaltiger Forstwirtschaft in Hessen und Thüringen, gebaut wird im hessischen Schlüchtern – Bien-Zenker ist ein Mittelständler, wie er im Buche steht. Die Firma liefert dem BoKlok-Kunden ein "Rundum-Sorglos-Paket". "Kein Kunde muss sein Haus mit dem Inbusschlüssel selbst zusammenbauen", verspricht Mühlbauer.

Anfragen aus ganz Deutschland für das Haus

Bien-Zenker liefert nicht nur das Haus, sondern kümmert sich auch um das Grundstück, die Anschlüsse und den Verkauf der Häuser. An den grünen Rändern urbaner Ballungszentren sollen die kleinen Wohnanlagen aus je vier "Immeln"- und fünf "Fryken"-Häusern entstehen, die ersten 30 Gebäude gehen nach Wiesbaden-Auringen und Offenbach. Neben den beiden Reihenhaus-Typen – "Immeln" hat 102 qm Wohnfläche, "Fryken" 84 qm – sollen in Offenbach auch 12 BoKlok-Wohnungen entstehen. Der Bedarf ist da, sagt Mühlbauer, "wir kriegen jeden Tag Anfragen aus ganz Deutschland." Und den Bedarf wollen BoKlok und Bien-Zenker auch decken: "Wir machen das nicht wegen 30 Häusern." Die Produktionsstätte in Schlüchtern ist ausgelegt auf mehrere 100 Einheiten im Jahr – viel Holz, was da zusammenkommt.

Wer eines von den Häusern will, muss seinen Namen bei Ikea in eine Lostrommel werfen und hat dann die Chance auf das Recht, eines der neuen Häuser zu kaufen. Die effizient geplanten Ikea-Schachteln erfüllen die Kriterien für ein Energieeffizienzhaus 70, werden über Blockheizkraftwerke beheizt und sind auch sonst energetisch auf dem neuesten Stand. Aber sie haben keinen Keller, nur eine Abstellkammer im Garten, wenig Stauraum und sind eben doch ein bisschen beengt, so kommt es einem jedenfalls beim Durchgehen vor. Die Häuser richten sich an junge Familien, aber auch an jeden anderen, der bei der Kauflotterie gewinnt.

"Unsere Vorstellung von gutem Leben"

"Wir haben eine Vorstellung von gutem Leben, und diese Vorstellung ist BoKlok", sagt Lars Nord-Wildlund. Der Mann mit dem sehr schwedischen Namen ist Geschäftsführer von BoKlok, und er weiß genau, was er da verkauft: Es ist nicht nur ein Haus, es ist ein Lebensgefühl. Ein Gefühl, das Ikea schon seit Jahrzehnten erfolgreich unter die Leute bringt. Hell, freundlich, mit skandinavischem Einschlag und dazu noch günstig – aber auch genormt, gleichförmig und wenig individuell. Junge Familien sollen in BoKlok wohnen, oder geschiedene Eltern mit Kind, sagt Nord-Wildlund. "Wir haben überprüft, wie viel Geld eine alleinerziehende Mutter mit Kind hat. Kann sie sich eine unserer Wohnungen leisten? Ja, kann sie", beschreibt er den Denkprozess hinter den Wohneinheiten vom Fließband.

Wie für alle Ikea-Produkte gilt auch für die Fertighäuser und Wohnungen: Möglichst viele Menschen sollen sich das Ikea-Leben leisten können. Dafür sieht BoKlok wie jedes Ikea-Produkt auch überall gleich aus. Kleine Details passt die Firma nach regionalen Vorgaben an, BoKlok in Deutschland hat beispielsweise völlig schweden-untypisch Rolläden. Ansonsten sieht alles gleich aus, ob in Deutschland, England oder Schweden, egal ob 2-Zimmer-Wohnung oder Haus "Immeln". Die Einrichtung kann man natürlich komplett von Ikea dazukaufen, fein abgestimmt auf das Fertighaus. Im Grundriss im Prospekt ist sogar das Ikea-Schaukelpferd fürs Kinderzimmer eingezeichnet.

Mit Apfelbaum in der Wohnanlage

Wer sich für ein BoKlok-Haus entscheidet, kauft damit auch ein bisschen den Ikea-Lebensstil ein. Die Häuser werden in durchgeplanten kleinen Anlagen stehen, mit einer gemeinsam genutzten Fläche und einem Apfelbaum in der Mitte, der für das Leben mit BoKlok steht. Neben dem Anteil an der Gemeinschaftsfläche hat jedes Haus (beispielsweise in Offenbach) laut Mühlbauer 150 Quadratmeter Grundstück. Das ist im Kaufpreis für die Häuser mit drin. Der beginnt bei 179.500 Euro für das kleinere Reihenhaus "Fryken" mit 84 Quadratmeter Wohnfläche, die große Variante "Immeln" (102 Quadratmeter) schlägt mit mindestens 231.500 Euro zu Buche. Zum Vergleich: Ein Fertighaus anderer Anbieter, allerdings nicht in Holzbauweise, kostet inklusive Grundstück ähnlich viel.

Auf die Leute, die gerade bei Ikea in Hofheim-Wallau einkaufen, übt das BoKlok-Haus, Modell "Immeln", eine beinahe magische Anziehungskraft aus. Sie bleiben stehen und gucken, wollen auch mal rein, sich das Haus von innen anschauen. "Könnte ich mir schon vorstellen", antwortet eine Frau mit einem kleinem Sohn auf die Frage, ob sie in "Immeln" wohnen würde: "Von außen ist es ja ganz hübsch." Dann nimmt sie einen Prospekt für ihren Mann mit. Wie viele Menschen dann doch in dem Wirklichkeit gewordenen Ikea-Katalog leben wollen, bleibt abzuwarten.


 

Hanno Terbuyken ist Redakteur bei evangelisch.de, zuständig für die Ressorts Gesellschaft und Wissen, und schreibt das Blog "Angezockt".