Mixa: Missbrauch durch Priester auch gesellschaftlich bedingt

Mixa: Missbrauch durch Priester auch gesellschaftlich bedingt
Der Augsburger Bischof Walter Mixa sieht einen Zusammenhang zwischen gesellschaftlichen Fehlentwicklungen und den Missbrauchsfällen in katholischen Schulen. Unterdessen werden immer mehr Fälle von Übergriffen bekannt. Nicht nur Einrichtungen von Jesuiten sind betroffen.

Mixa sagte der "Augsburger Allgemeinen" (Dienstag): "Wir haben in den letzten Jahrzehnten gerade in den Medien eine zunehmende Sexualisierung der Öffentlichkeit erlebt, die auch abnorme sexuelle Neigungen eher fördert als begrenzt. Der Zölibat hat aus seiner Sicht die Taten nicht befördert. Der Geistliche sprach von besonders "abscheulichen Verbrechen", an denen die "sogenannte sexuelle Revolution sicher nicht unschuldig" sei. Sexueller Missbrauch dürfe nicht als "Gentleman-Delikt" abgetan werden.

Mixa räumte zugleich ein, dass in der Vergangenheit die katholische Kirche "gegenüber Sexualdelikten an Kindern und Jugendlichen zu blauäugig war". Man habe unberechtigterweise auf die Besserung des Täters in einem neuen Aufgabengebiet gesetzt. Die deutschen Bistümer hatten im Jahr 2002 Richtlinien zum Umgang mit sexueller Gewalt von Priestern und Kirchenangestellten erlassen. In zahlreichen Fällen waren betroffene Geistliche lediglich in andere Gemeinden versetzt worden.

Zwischenbericht am Donnerstag

Außer an Jesuitenschulen soll es auch an anderen katholischen Schulen in Deutschland zu sexuellem Missbrauch von Schülern gekommen sein. Die Missbrauchsbeauftragte des Jesuitenordens, Ursula Raue, bestätigte am Dienstag in Berlin auf Anfrage entsprechende Medienberichte. Voraussichtlich am Donnerstag wird die Rechtsanwältin Raue ihren Zwischenbericht zu den Missbrauchsfällen vorlegen.

Am Vorabend wollen die Berliner Jesuiten den Aschermittwoch mit einem Bußgebet begehen. "Tief betroffen von den Zeugnissen der Überlebenden sexueller Gewalt, die uns in diesen Tagen erreichen" wollen sie eigenen Angaben zufolge ihre "Scham und Trauer ausdrücken über die Schuld einzelner Jesuiten und die Katastrophe institutionellen Wegsehens". Außerdem solle den Menschen gedankt werden, "die nun sprechen und die uns durch ihr Sprechen ein Hinsehen auf unsere Vergangenheit erlauben".

Mehr als 100 Fälle

In einem Brief an ehemalige Schüler hatte der heutige Rektor des Berliner Canisius-Kollegs, Klaus Mertes, über mindestens sieben Fälle sexuellen Missbrauchs an seiner Schule in den 1970er und 1980er Jahren berichtet. In den Tagen darauf wurden immer mehr Vorfälle auch an anderen Jesuitenschulen bekannt. Sie summierten sich derzeit auf deutlich über 100, sagte die Missbrauchsbeauftragte Raue.

Die Vorsitzende der Grünen, Claudia Roth, forderte von der katholischen Deutschen Bischofskonferenz juristische Aufklärung und Wiedergutmachung. Die katholische Kirche müsse eine glaubwürdige Antwort geben, wie sie das schwere seelische Leid der Opfer wiedergutmachen oder lindern und sexuellen Missbrauch künftig verhindern wolle, sagte Roth mit Blick auf die Frühjahrsvollversammlung der Bischofskonferenz in der kommenden Woche.

Grünen-Chefin für "moralische Selbstaufklärung"

Die Parteivorsitzende forderte zudem eine "moralische Selbstaufklärung". Auch die antiquierte und restriktive Sexualmoral der katholischen Kirche habe zu einem solchen "furchtbaren Komplex des Wegsehens und der Verheimlichung" geführt. Die Missbrauchsopfer seien über Jahrzehnte mit ihrem Leid alleingelassen worden.

epd