Risiko Arztbesuch: Fehler bleiben oft im Dunkeln

Risiko Arztbesuch: Fehler bleiben oft im Dunkeln
Für tausende Patienten im Jahr wird der Besuch beim Arzt oder die Einweisung in die Klinik zum unkalkulierbaren Risiko. Arztfehler sind in Deutschland trotz aller Sicherheitsbemühungen keine Seltenheit. Immer wieder kommt es zu nicht entdeckten Knochenbrüchen, Fehlern bei Blutproben oder Mängeln bei Krebsoperationen. Eine Übersicht über Arztfehler hat aber niemand. Der Patientenbeauftragte Wolfgang Zöller (CSU) hat nun unter anderem ein anonymes Melderegister angeregt. Prompt kam ein Aufschrei der Ärzte.
15.02.2010
Von Basil Wegener

10.967 Patienten beschwerten sich nach den jüngsten Zahlen von 2008 bei den Gutachterstellen der Ärztekammern - fünf Prozent mehr als ein Jahr zuvor. In 1.695 Fällen führten diese Beschwerden zu Schadenersatz in außergerichtlicher Schlichtung. Vor Gericht ernten Patienten oft Frust statt Geld. "Bei Arzthaftungsfällen ist Schadenersatz am schwersten durchzusetzen", sagt Thorsten Rudnik vom Vorstand des Bundes der Versicherten. "Betroffene kämpfen oft über Jahre vergeblich."

Das Aktionsbündnis Patientensicherheit geht von rund 500.000 meist leichten Behandlungsfehlern allein in den rund 2.100 Kliniken im Jahr aus. Bei einer Umfrage unter niedergelassenen Medizinern berichtete fast ein Drittel von regelmäßigen Fehlern. Qualitätsstudien zufolge gibt es bei vielen Standardsituationen in den Kliniken Verbesserungsbedarf - in immer wieder vorkommenden Ausnahmen wird schlicht nicht nach den gültigen Leitlinien behandelt.

Ärzte wettern gegen "Zwangsregister"

Zöller denkt über eine anonyme Dokumentation der Fehler nach, wie er in einem Interview sagte: "Registrieren heißt lernen." Ob es eine zentrale Datenbank werden soll oder bestehende Register vor Ort ausgebaut werden sollen, steht noch nicht fest. Verhandlungen über ein Patientenrechtegesetz sollen aber bald beginnen. Und auch bei den Schiedsstellen sowie vor Gericht will der CSU-Politiker ansetzen, so dass die Patienten leichter zu ihrem Recht kommen.

Der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, wettert umgehend gegen ein "Zwangsregister". Und auch beim Aktionsbündnis Patientensicherheit betrachtet man den Vorstoß mit gemischten Gefühlen. "Ein zentrales Register hat den Nachteil, dass es sehr weit weg ist und sich viele nicht melden würden - anders als bei einer Stelle im eigenen Haus", sagt der Vorstand, der Berliner Ärztepräsident Günther Jonitz: "Gleichwohl hätte es den großen Vorteil, dass sich auch die melden können, in deren Häusern es noch keineentsprechenden Einrichtungen gibt."

Regierung will Mitarbeit aller Beteiligten

Ein knappes Drittel der Krankenhäuser habe bereits Fehlersysteme eingeführt, berichtet Jonitz. Hier berichten an Behandlungen beteiligte Ärzte oder Pfleger anonym von Fehlern - und etwa durch Teambesprechungen sollten die Abläufe dann besser organisiert werden: "80 Prozent der Fälle gehen auf eine Fehlerkette zurück und nicht auf die Fehlleistung eines Einzelnen." Jonitz stellt sich aber gegen mehr Druck zur Fehlermeldung und gesetzliche Vorgaben: "Was wir dringend vermeiden müssen, ist der Pranger."

Auch Minister Philipp Rösler (FDP) will die Sicherheit der Patienten verbessern. "Ein Melderegister wurde bisher in der Koalition nicht besprochen", sagt Sprecher Christian Lipicki: "Wenn Behandlungsfehler besser verhindert werden sollen, geht das nur gemeinsam mit allen Beteiligten."

Verbraucherschützer kritisieren, dass heute niemand wisse, wo welche Fehler häufiger und weniger häufig vorkommen. "Die Meldesysteme für Fehler und Beinahe-Fehler sind richtig und wichtig", sagt der Gesundheitsexperte des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, Stefan Etgeton. Doch auch ein Register mit offiziell festgestellten Fehlern - aufgeschlüsselt nach Regionen und Indikationen - könne helfen, sagt Etgeton: "Wir sollten mehr Klarheit über die Zahlen bekommen."

dpa