Ranke-Heinemann: Bloß keine Frauenskandale!

Ranke-Heinemann: Bloß keine Frauenskandale!
Uta Ranke-Heinemann hat sich noch nie ein Blatt vor den Mund genommen. Vor dem Hintergrund des Missbrauchsskandals in deutschen Jesuitenschulen geht sie mit der katholischen Sexualmoral scharf ins Gericht. Die Verdrängung der Frauen aus der Kirche, so die streitbare katholische Theologin, der einst die Lehrbefugnis entzogen wurde, sei ein Pyrrhussieg - denn dadurch würden homoerotische Verfehlungen im Klerus befördert.
08.02.2010
Von Uta Ranke-Heinemann

Pädophilie ist die Gefahr einer monosexuellen Kirche, der in 2.000 Jahren zwar die Vertreibung der Frauen, aber noch nicht die Entsexualisierung geglückt ist. Wie lange die Kirche jetzt noch zur Züchtung des "keuschen Homosexuellen" benötigt, wie sie im Weltkatechismus 1992 in Nr. 2357-9 gefordert wird, ist noch nicht klar. Klar ist nur dies: Solange zwangsentsexualisierte, homosexuelle Priester mit Männern, Jugendlichen und Kindern in dunklem Beichtstuhlgewisper vereint sind, wird sich der Beichtstuhl immer mehr zur Kontaktbörse für Homosexuelle entwickeln, in der auch Pädophilie nicht ausgeschlossen werden kann. Er sollte darum für Kinder und Jugendliche verboten werden.

Der endgültige Ausschluss der Frauen war eine Reaktion darauf, daß der Priester und Mönch Martin Luther eine Nonne geheiratet und eine riesige Antizölibatsbewegung in Gang gesetzt hatte. Sechs Jahre nach Luthers Tod rief der heilige Philipp Neri 1552 eine antilutherische Priesterreformbewegung ins Leben. Einer seiner Schüler, Francesco Pucci, berichtete am 29. Juni 1610 rückblickend, dass der heilige Philipp Neri ihm seinerzeit immer wieder eingeschärft habe, "dass ich die Frauen fliehen sollte, weil diese ein Hindernis sind für jeden, der im geistlichen Leben vorankommen will".

Frauen aus Rom vertrieben

Im Zuge der Gegenreformation erfolgte die Vertreibung der Frauen aus Rom, sämtlicher Schauspielerinnen und Sängerinnen von allen Bühnen, Theatern und Opern. 1562 singt der erste Kastrat im sixtinischen Chor, der Spanier Francesco Soto. 1563 wird dem Priesternachwuchs die klandestine - heimliche - Eheschließung unmöglich gemacht durch die Einführung der "Formpflicht" bei der Eheschließung. 1592 wird in der Vulgata Clementina der Text des 1. Korintherbriefs 9,5 geändert. Paulus sagt ursprünglich: "Habe ich nicht das Recht, eine Ehefrau auf den Reisen mitzunehmen wie die übrigen Apostel und Petrus". Aus den Ehefrauen der Apostel werden (dienende) Schwestern. Der Vatikan wird immer mehr zu einer entsexualisierten Homosexuellengesellschaft. Das Wort Homosexualität kommt von dem griechischen Wort "homo" = "gleich". Im Vatikan haben die Tonangebenden alle das gleiche Geschlecht.

Von Anfang an wird nämlich im Christentum das alttestamentlich-jüdische Erbe, das heißt der Vernichtungswille gegenüber der Homosexualität, durchkreuzt durch eine entgegengesetzte Strömung, nämlich eine dem Judentum fremde Sexualfeindlichkeit und eine von dieser Sexualfeindlichkeit gefärbte Frauenfeindlichkeit. Dadurch wird nun aber als unbeabsichtigte Nebenwirkung die Homosexualität begünstigt. Denn Sexualfeindlichkeit und Frauenfeindlichkeit führen zum Zölibat. Und dieses unheilsschwangere Dreigestirn (Sexualfeindlichkeit - Frauenfeindlichkeit - Zölibat) bringt zwar Homosexualität nicht hervor, aber erleichtert den Homosexuellen den Zugang zu den Spitzenpositionen. In einer kirchlichen Hierarchie, deren oberstes Motto "Bloß keine Frauenskandale!" ist, wird homosexuelle Veranlagung zur günstigen Voraussetzung des gesellschaftlichen Aufstiegs.

Mutter Teresa fügt sich ins Ideal

Im Licht und im Glanz steht nur noch ein einziges Geschlecht, das männliche. Das Idealbild der Frau ist jetzt Mutter Teresa von Kalkutta - eigentlich Schwester Theresa, aber mit der Entsexualisierung der Ehe geht die Entsexualisierung der Mutterschaft einher -, die sich als Jungfrau und Magd nahtlos in das päpstliche Jungfräulichkeitsideal einfügte und die als Dienerin der Kranken und Miserablen die Machtposition und Überlegenheit der Männer nicht anzweifelte. Ihr Platz neben dem Kranken- und Sterbelager der Unterprivilegierten ist die ideale weibliche Position, die den Frauen von den Männern noch nie streitig gemacht wurde.

Aber: Ist die Frauengefahr nach 2.000 Jahren schließlich gebannt, so wird die Verdrängung der Frauen immer mehr zum Pyrrhussieg, denn nun nehmen die homoerotischen Verfehlungen des Klerus zu. Die beiden Geheimschreiben 1962 von Kardinal Ottaviani (Crimen Sollicitationis) und 2001 von Kardinal Ratzinger (De Delictis Gravioribus), in denen allen Bischöfen unter Strafe der Exkommunikation die Geheimhaltung befohlen wird, wegen der "ausschließlichen Kompetenz des Vatikans", führen zur totalen Justizbehinderung für die staatlichen Gerichte und zu einer ständigen heimlichen Versetzung der Pädophilen, die nach einer sogenannten "Therapie" ihr Unwesen Jahrzehnte weiter treiben. 


Uta Ranke-Heinemann (82) ist eine der bekanntesten katholischen Theologinnen in Deutschland. Die Tochter des früheren Bundespräsidenten Gustav Heinemann studierte zunächst evangelische Theologie, ehe sie trotz ihres frommen Elternhauses 1953 zum Katholizismus konvertierte. Sie war weltweit die erste Frau, die im Fach katholische Theologie habilitiert wurde und einen Lehrstuhl als Professorin erhielt. Nachdem Ranke-Heinemann 1987 öffentlich die Jungfräulichkeit Mariens bezweifelt hatte, entzog ihr die Kirche die Lehrbefugnis. Zu ihren bekanntesten Veröffentlichungen zählt "Eunuchen für das Himmelreich - Katholische Kirche und Sexualität". Das Buch erschien erstmals im Jahr 1988 und ist inzwischen in einer wesentlich erweiterten Ausgabe als Heyne-Taschenbuch erhältlich (25. Aufl., 576 Seiten, 10,95 Euro). Der hier veröffentlichte Artikel ist eine Zusammenfassung des dortigen Kapitels über Homosexualität.