Eine junge Haitianerin hat 15 Tage unter den Trümmern eines vom Erdbeben zerstörten Hauses überlebt. Die 16-Jährige wurde am Mittwoch von einem französischen Rettungsteam aus den Resten eines zusammengestürzten Wohnhauses gerettet, berichtete der US-Fernsehsender CNN. Die junge Frau, die stark ausgetrocknet war, habe etwas von einer Flasche Limonade gestammelt, die sie am Tag des Jahrhundertbebens eventuell dabei gehabt habe, berichteten Helfer. Auch könnte sie in den Trümmern eines zerstörten Badezimmers Zugang zu Wasser gehabt haben.
Wunder und Nachbeben
Nachbarn sagten, das Haus sei am 12. Januar eingestürzt, als die Erde mit einer Stärke von 7,0 bebte und mindestens 150 000 Menschen starben. Die Retter meinten, es sei ein "Wunder", dass das Mädchen solange überlebt habe. Die 16-Jährige wurde inzwischen auf ein französisches Lazarettschiff vor der Küste Haitis gebracht. Erst vor kurzem war ein 31-Jähriger gerettet worden, der zwölf Tage eingeschlossen war.
Seit dem Beben wurden mehr als 130 Menschen lebend aus den Trümmern gezogen. Im der Nacht zum Donnerstag wurde Haiti von einem weiteren Beben der Stärke 4,1 erschüttert. Das Epizentrum befand sich nach Angaben der US-Erdbebenwarte in einer Tiefe von 58,4 Kilometer etwa 30 Kilometer südöstlich von Port-au-Prince. Über Opfer oder Schäden gab es zunächst keine Angaben. Für die traumatisierten Menschen wecken die Nachbeben jedoch schreckliche Erinnerungen.
Wahlen verschoben - 170.000 Tote - eine Million Obdachlose
Haitis Präsident René Preval hat angekündigt, die für den 28. Februar vorgesehenen Parlamentswahlen zu verschieben. Zur Begründung nannte Preval am Mittwoch (Ortszeit) in Port-au-Prince die Lage nach dem schweren Erdbeben vom 12. Januar. Ursprünglich sollten Ende Februar 98 der 99 Sitze in der Abgeordnetenkammer und zehn der 30 Sitze des Senats neu bestimmt werden. Ein neuer Wahltermin ist noch nicht bekannt.
Die Zahl der geborgenen Leichen bezifferte Preval auf 170.000. Zudem seien 225.000 Häuser und 25.000 Geschäftsgebäude zerstört worden. Mehr als eine Million Haitianer seien damit obdachlos.
Rund 236.000 Menschen verließen laut Angaben der Vereinten Nationen seit dem Erdbeben die großflächig zerstörte Hauptstadt Port-au-Prince, um auf dem Land unterzukommen. Wie die UN weiter mitteilte, ist der größte Teil der 5.100 Häftlinge, die bei der Katastrophe fliehen konnten, noch auf freiem Fuß. Nur 47 Flüchtige konnten wieder verhaftet werden.
"Wir suchen verzweifelt Zelte"
Die Situation der Obdachlosen wird nach UNO-Angaben immer bedrohlicher. "Wir suchen verzweifelt Zelte und Behelfsunterkünfte", sagte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon in New York. Auch die Versorgung mit Essen sei kritisch. Gleichwohl bessere sich die Situation: "Die Versorgung läuft flüssiger und wir erreichen immer mehr Menschen. Aber wir haben noch einen weiten Weg vor uns."
Er betonte erneut die Bedeutung des aktuellen UN-Beschäftigungsprogramms für Haiti. 11.000 Haitianer seien bisher für einen Tageslohn von fünf Dollar bei Aufräumung und Wiederaufbau beschäftigt. Mittelfristig wollen die UN 200.000 Personen beschäftigen. Laut Haitis Regierung sind 60 Prozent der Wirtschaft des Landes zerstört.
Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva warf dem Westen unterdessen vor, Haiti schon vor dem Erdbeben mit seiner Misere alleingelassen worden. Schon vor dem verheerenden Erdbeben vom 12. Januar dringend benötigte finanzielle Hilfe sei von den Ländern des Westens nicht gewährt worden, betonte er auf dem Weltsozialforum im südbrasilianischen Porto Alegre. Dort rief er zum "Jahr der Solidarität" mit dem Karibikstaat auf.