Er wolle so lange wie möglich die Politik aufwirbeln, sagte Oskar Lafontaine noch 2008. "Solange ich gesund bin, werde ich weiter mitmischen." Nur gut ein Jahr später musste sich der heute 66-Jährige einer Krebs-Operation unterziehen - und die Erkrankung lässt vorerst auch eine der schillerndsten Politik- Karrieren auf Bundesebene enden.
"Wer hofft, dass er sich aus der Politik zurückzieht, irrt"
Was nicht heißt, dass nichts mehr von Lafontaine zu hören sein wird. Das sagte zumindest Bundestagsfraktionsvize Gesine Lötzsch, kurz nachdem Lafontaine am Samstag ankündigte, im Mai nicht mehr für den Parteivorsitz zu kandidieren und auch sein Bundestagsmandat niederzulegen. "All diejenigen, die hoffen, dass er sich aus der Politik zurückziehen wird, werden sich geirrt haben", erklärte Lötzsch. Sie lobte seinen Beitrag zur Vereinigung der Linken mit der WASG als "historisch". "Ich weiß nicht, wer in diesem Land eine solche Leistung vollbracht hat."
Fast hätte es Lafontaine im vergangenen August sogar geschafft, seine Linkspartei zum ersten Mal in eine westdeutsche Landesregierung zu führen. Bei der Wahl in seiner Heimat Saarland brachte der ehemalige SPD-Ministerpräsident (1985 bis 1998) seine neue Partei auf 21,3 Prozent. Doch die Grünen koalierten nicht mit SPD und Linken, sondern gingen mit CDU und FDP ein Jamaika-Bündnis ein.
Schon zuvor hatte Lafontaine Anfang Oktober überraschend seinen Verzicht auf den Fraktionsvorsitz im Bundestag erklärt. Als Rückzug aus der Politik auf Raten wollte der Vater zweier Söhne dies nicht verstanden wissen. Keiner ahnte, dass ihn später der Krebs bremsen würde.
Arroganz und überraschende Entschlüsse
Die Persönlichkeit Lafontaine steht auch für überraschende Entschlüsse. Als er noch in der SPD war, fiel 1995 seine Entscheidung, auf dem Mannheimer Parteitag gegen den damaligen Vorsitzenden Rudolf Scharping zu putschen, angeblich über Nacht. 1999 kam sein Rücktritt als SPD-Chef und Bundesfinanzminister - im Zerwürfnis mit dem damaligen Kanzler Gerhard Schröder (SPD) - auch für sein engstes politisches Umfeld überraschend. Der charismatische Vollblutpolitiker verschwand von der Bühne - nach einem jahrzehntelangem Einsatz für die SPD, der ihn als Kanzlerkandidat 1990 bei einem Attentat fast das Leben gekostet hatte.
2005 kam er zurück. Nach fast 40 Jahren gab er sein SPD-Parteibuch ab, half bei der Verschmelzung von WASG und PDS zur Linken und wurde 2007 deren Vorsitzender. Lafontaine spricht vor allem Arbeitslose, sozial Schwache und Rentner an und kann enttäuschte Sozialdemokraten an seine neue Partei binden. Ohne ihn hätte die Linke wohl nicht so schnell Fuß gefasst im Westen. Aber manche Mitglieder haben auch ihre Probleme mit seinem Führungsstil. Bei allem Humor und erfolgreichen Einsatz für die Sache kann Lafontaine autoritär, selbstbezogen, zynisch und arrogant wirken.
Da Co-Parteichef Lothar Bisky seit seiner Wahl ins Europaparlament als Vorsitzender in den Hintergrund getreten war, ergab sich zuletzt infolge Lafontaines Krankheit ein Führungsvakuum in der Linkspartei, das zu einem seit Wochen anhaltenden Machtkampf zwischen Realos und Fundis führte. Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch, der als Gegner des oft knallharten Oppositionskurses von Lafontaine gilt, kündigte vergangene Woche an, im Mai nicht erneut für dieses Amt zu kandidieren. Ihm war zuvor Illoyalität gegenüber Lafontaine vorgeworfen worden. Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi hatte sich dabei gegen Bartsch gestellt.