Weltwirtschaft im Visier: Attac wird zehn Jahre alt

Weltwirtschaft im Visier: Attac wird zehn Jahre alt
Der Schriftsteller Günter Grass gehört dazu, der Psychoanalytiker Horst-Eberhard Richter, aber auch Politiker wie Oskar Lafontaine (Linke), Heiner Geißler (CDU) und Andrea Nahles (SPD). Das globalisierungskritische Netzwerk Attac ist ein Sammelbecken unterschiedlichster Persönlichkeiten und Organisationen.
19.01.2010
Von Anne-Katrin Einfeldt

Sie eint der Protest gegen die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich in Deutschland und anderen Ländern sowie zwischen Nord und Süd auf der Weltkugel. Am 22. Januar wird der deutsche Zweig zehn Jahre alt. Für das neue Jahr hat die Organisation unter anderem ein "Bankentribunal" angekündigt.

"Globalisierung ist kein Schicksal - eine andere Welt ist möglich" hat sich die Organisation auf die Fahnen geschrieben. Deshalb mischt sich das Netzwerk mit Aktionen, Veranstaltungen und Unterschriftensammlungen da ein, wo es wirtschaftliche Schäden für die Gesellschaft sieht. Die Wirtschaft müsse dem Menschen dienen und nicht umgekehrt, ist ein weiteres Credo.

"Netzwerk zur demokratischen Kontrolle der internationalen Finanzmärkte"

Dass Attac seit den Anfängen 2000 auf ständig wachsende Mitgliederzahlen verweisen kann, ist für den Kasseler Politik-Professor Christoph Scherrer nachvollziehbar: "Es gibt eine politische Lücke." Eine große Friedensbewegung gebe es nicht mehr, ein Engagement in den etablierten Parteien sei auch nicht jedermanns Sache. Wer eine "andere Welt anstrebt", wende sich den sogenannten Nicht-Regierungsorganisationen (NGO) zu. "Davon speist sich auch Attac." Ende 2009 hatte das Netzwerk, das ein eingetragener Verein ist, knapp 22.000 Mitglieder.

Zur Gründung von Attac trafen sich am 22. Januar 2000 in Frankfurt Mitglieder von rund 50 NGOs und gaben ihrem Gremium den Titel "Netzwerk zur demokratischen Kontrolle der internationalen Finanzmärkte". Von Anfang an wollten sie eng mit der 1998 in Frankreich gegründeten Bewegung Attac zusammenarbeiten. Zehn Monate später übernimmt das Netzwerk den Namen Attac. Beim G8-Gipfel im Sommer 2001 in Genua mischt sich Attac Deutschland erstmals in eine größere internationale Demonstration ein. Attac setzt dabei auf friedlichen Protest. Letztlich eskalieren die Aktionen und die Polizei erschießt einen italienischen Demonstranten.

Gegen den Krieg in Irak und "sozialen Kahlschlag"

Von Beginn an setzt sich das Netzwerk auch für die sogenannte Tobin-Steuer ein. Die Steuer auf Geschäfte am Devisenmarkt - benannt nach dem amerikanischen Wirtschaftsnobelpreisträger James Tobin - soll kurzfristige Transaktionen am Devisenmarkt gering besteuern und damit Spekulanten abschrecken. In mehreren Kampagnen protestiert das Netzwerk auch gegen das Welthandelsabkommen GATS, das Dienstleistungen liberalisiert und privatisiert.

Aber auch im Kampf gegen den Krieg im Irak engagiert sich Attac: Bei einer von dem Netzwerk mitorganisierten Demonstration Anfang 2003 in Berlin gehen eine halbe Million Menschen auf die Straße. Gegen "Sozialen Kahlschlag" protestiert die Organisation ebenso wie gegen die Wahl von Horst Köhler zum Bundespräsidenten, dem sie eine "unrühmliche Vergangenheit" als Weltbank-Präsident vorwirft.

Wirtschschaftsakteuren symbolisch den Prozess machen

Bestätigt in ihrer Kritik an den weltwirtschaftlichen Vorgängen sehen sich die Globalisierungskritiker mit dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise. Die Forderung nach der Finanztransaktionssteuer sei mittlerweile in der institutionalisierten Politik angekommen, sagt Attac-Sprecherin Frauke Distelrath.

Für 2010 hat sich Attac im April ein "Bankentribunal" vorgenommen. Dort soll Vertretern der Banken, Politikern, Aufsichtsbehörden sowie Rating-Agenturen symbolisch der Prozess gemacht werden. "Weil Politik und Justiz ihn nicht anstrengen wollen oder können, nehmen wir das in die Hand", heißt es in einer Mitteilung. Als weiteres großes Thema nennt Sprecherin Distelrath eine dezentrale Kampagne zur Public Private Partnership (PPP). Bei der privaten und öffentlichen Zusammenarbeit bei Projekten gebe es "aggressives Lobbying" von Investoren gegenüber Kommunalpolitikern. Was sich darüber hinaus entwickele, bleibe abzuwarten. Distelrath: "Soziale Bewegungen lassen sich ja nicht am Reißbrett planen."

dpa