Schwarze Kassen, aber kaum ein Schaden für Koch

Schwarze Kassen, aber kaum ein Schaden für Koch
Der Begriff "brutalstmöglich" wird immer noch gerne zitiert als süffisante Anspielung auf eine Affäre, die die Hessen-CDU und ihren Chef Roland Koch in höchste Bedrängnis brachte. Vor zehn Jahren - am 14. Januar 2000 - räumten Koch und Ex- Bundesinnenminister Manfred Kanther in einer spektakulären Pressekonferenz die Existenz einer schwarzen Parteikasse im Ausland ein. Koch versprach "brutalstmögliche Aufklärung".
14.01.2010
Von Michael Biermann

Geholfen hat ihm das zunächst wenig, zumal er vier Tage zuvor bei einem Besuch der Sternsinger in der Staatskanzlei auf Fragen der zu dem Termin gebetenen Journalisten versichert hatte, bei den CDU-Finanzen gebe es keine Unregelmäßigkeiten. Zu dem Zeitpunkt wusste er es schon anders.

Ans Licht kam alles Anfang 2000 im Zuge der Spendenaffäre der Bundes-CDU. Die Schwarzgeld-Affäre löste ein politisches Beben aus, das Koch elf Monate nach seinem aufsehenerregenden Sieg bei der Landtagswahl 1999 an den Rand der politischen Existenz und Kochs Weggefährten Franz Josef Jung trotz Unschuldsbeteuerungen um den Posten als Chef der Staatskanzlei brachte.

Lichtensteiner Stiftung "Zaunkönig" sorgt für Gerüchte

Auch der hessische CDU- Generalsekretär Herbert Müller musste gehen. Kanther, der Ex-CDU- Schatzmeister Casimir Prinz zu Sayn-Wittgenstein und der frühere CDU- Finanzberater Horst Weyrauch kamen vor Gericht. Kanther und Weyrauch wurden verurteilt, der damals 88 Jahre alte Wittgenstein schied aus Gesundheitsgründen aus dem Prozess aus; sein Verfahren wurde dann eingestellt.

Die Journalisten verfolgten am 14. Januar 2000 in der Hofheimer Stadthalle mit ungläubigem Staunen und anwesende CDU-Mitglieder mit Entsetzen, wie ausgerechnet der stramme Law-and-Order-Mann Kanther einräumte, mit Wittgenstein und Weyrauch 1983 rund zehn Millionen Euro Parteivermögen in die Schweiz geschafft und von 1993 bis 2000 in einer Liechtensteiner Stiftung namens "Zaunkönig" angelegt zu haben. Um Geld zurückzuholen, waren laut Kanther "Hilfskonstruktionen" nötig - offiziell ging das ja nicht. Geschichten von Vermächtnissen reicher Juden, Spenden und Darlehen wurden bemüht, um das viele Geld der Hessen-CDU zu erklären.

"Hure des Herrn Koch"

Die Opposition wollte nicht glauben, dass Koch davon nichts gewusst haben wollte. Ein Untersuchungsausschuss beschäftigte sich mit dem Fall, die Staatsanwaltschaft ermittelte, Teile des Koalitionspartners FDP forderten Kochs Rücktritt. Hessens Wahlprüfungsgericht ging der Frage nach, ob die Landtagswahl vom 7. Februar 1999 gültig sei. Koch hatte sie nicht nur mit einer heftig umstrittenen Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft gewonnen, sondern dafür nach Erkenntnissen des Gerichts 200.000 Mark (rund 102.000 Euro) aus der schwarzen Kasse genutzt. Erst ein Jahr nach der Wahl stellte das Gericht das Verfahren ein.

Die damalige FDP-Landesvorsitzende und Wissenschaftsministerin Ruth Wagner rettete Koch. Sie setzte sich gegen Parteifreunde wie den damaligen FDP-Bundesvorsitzenden Wolfgang Gerhardt durch, die Kochs Rücktritt forderten. Für Wagner wog Kochs Aufklärungswillen schwerer als seine "Sternsingerlüge". Wagner musste dafür Beschimpfungen hinnehmen, in der "Süddeutschen Zeitung" sah sie sich als "Hure des Herrn Koch" tituliert. Im Rückblick sieht sie sich aber bestätigt. Weder der Untersuchungsausschuss noch die Gerichtsverfahren gegen Kanther und Co. boten Hinweise auf eine Mitwisserschaft Kochs.

Kochs Ruf, außergewöhnlich nervenstark zu sein

Der Fall blieb lange in den Schlagzeilen, vor allem weil Kanther nicht einsehen mochte, etwas Unrechtes getan zu haben. Erst im Herbst 2007 akzeptierte er seine Verurteilung wegen Untreue, bei der aber eine Freiheitsstrafe auf Bewährung aus erster Instanz in eine Geldstrafe umgewandelt wurde. "Jeder Pfennig" sei im Sinne der Partei verwendet worden, betonte Kanther nach dem Urteil. Doch die CDU war die schwarze Kasse teuer zu stehen gekommen: Weil das Geld nicht in ihren Rechenschaftsberichten auftauchten, musste sie rund 21 Millionen Euro staatliche Fördergelder zurückzahlen.

Im Nachhinein betrachtet hielt sich der Schaden für Koch und die Hessen-CDU in Grenzen. Koch ist immer noch Ministerpräsident, Jung wurde später Verteidigungsminister, und die Kommunalwahlen gut ein Jahr nach Beginn der Affäre bescherten der CDU einen Sieg, den Wahlforscher als persönlichen Erfolg Kochs werteten. Bei der Landtagswahl 2003 errang die CDU dann die absolute Mehrheit. Die Schwarzgeldaffäre brachte Koch auch den Ruf ein, außergewöhnlich nervenstark zu sein.

dpa