Der Bundesgerichtshof (BGH) hob am Dienstag den Freispruch des Landgerichts Traunstein für den Gutachter auf. Er habe das Dach der Eissporthalle nicht so sorgfältig untersucht, wie dies im Auftrag der Stadt gefordert worden sei, entschied das Gericht in Karlsruhe (AZ 1 StR 272/09). Deutliche Zweifel äußerte der Senat auch an den Entscheidungen der damaligen Stadtverwaltung. Das Landgericht müsse im neuen Prozess prüfen, ob die Verantwortlichen im Rathaus von der mangelnden Detailtreue der Studie hätten wissen müssen. "Das liegt angesichts des in Auftrag gegebenen geringen Umfangs der Begutachtung nicht ganz fern", sagte der Senatsvorsitzende.
Die Staatsanwaltschaft Traunstein will sich nach der Aufhebung des Freispruchs Zeit für eine Bewertung lassen. "Wir warten die schriftliche Urteilsbegründung ab", sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Helmut Vordermayer. Die Staatsanwaltschaft hatte im Prozess ein Jahr Bewährungsstrafe für den mittlerweile 56-Jährigen gefordert. Dessen Verteidiger wertete das Karlsruher Urteil als "Reparaturanweisung" für die Traunsteiner Richter, die nun in nächster Instanz den Fall seines Mandanten erneut aufrollen müssen. Der BGH habe den Freispruch nicht grundsätzlich infrage gestellt.
Das Dach der Halle war am 2. Januar 2006 eingestürzt - nur fünf Minuten, bevor die mehr als 30 Jahre alte Halle hätte schließen sollen. Während das Landgericht Traunstein einen Dach-Konstrukteur im November 2008 wegen fahrlässiger Tötung zu eineinhalb Jahren Haft auf Bewährung verurteilt hatte, sprach es einen Architekten und den Gutachter frei.
Nur einen von zehn Balken untersucht
In seinem Gutachten hatte der Statiker der Halle drei Jahre vor dem Einsturz einen guten Zustand bescheinigt. Er hatte aber nur einen von zehn Balken genauer untersucht, die anderen prüfte er vom Boden aus mit dem Teleobjektiv seiner Kamera. Dennoch schrieb er im Gutachten, "dass die Gesamtlage aus tragwerkplanerischer Sicht einen guten Eindruck macht".
Laut Landgericht habe er aber kein Standsicherheitsgutachten, sondern nur eine Kostenschätzung für eine Gebäudesanierung abgeben müssen. Die unterlassene exakte Untersuchung der maroden Dachträger sei zudem nicht die direkte Ursache gewesen für den Einsturz der Eissporthalle, hatte die Kammer argumentiert. Außerdem sei nicht klar, ob die Stadt bei Warnungen des Gutachters eingeschritten wäre. Sie sei auch nach anderen Gutachten untätig gewesen.
BGH: Auftrag nicht pflichtgemäß erfüllt
Laut BGH hatte der Mann den Auftrag allerdings nicht so erfüllt, wie dies von ihm als Experten zu erwarten gewesen wäre. Bei genauerer Betrachtung des Daches wären ihm Risse, Spalten und feuchte Stellen aufgefallen. "Wenn aber der Angeklagte seinen Auftrag pflichtgemäß erfüllt hätte, dann wäre das ein deutliches Alarmsignal für die Stadt gewesen, etwas zu unternehmen", sagte der Vorsitzende Richter des BGH-Strafsenats. Somit habe der Gutachter durch das pflichtwidrige Unterlassen einer sogenannten handnahen Untersuchung den Tod der Besucher fahrlässig verursacht.
Der Anwalt einer Opfer-Familie hat daher bereits auch Strafanzeige gegen den früheren Oberbürgermeister sowie gegen die damalige Stadtbaudirektorin und den langjährigen Leiter des Hochbauamtes gestellt. Trotz deutlicher Hinweise hätten sie die Halle nicht gesperrt und keine Sanierung in Auftrag gegeben, sagte Anwalt Michael Thilo am Dienstag. Sein Mandant, der Ehemann einer bei dem Einsturz getöteten Frau, sagte, die Schuld liege bei der Stadt: "Ein neuer Prozess ist schmerzhaft, aber gibt den Opfern eine neue Chance."