US-Präsident Barack Obama kann künftig notfalls auch ohne Zustimmung des Kongresses den Ausstoß von Kohlendioxid regulieren. Zeitgleich zum Beginn der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen stufte die Umweltbehörde EPA am Montag Treibhausgase offiziell als "gesundheitsschädlich" ein. Diese bereits seit dem Frühjahr erwartete Definition gibt der Regierung das Recht, Emissionen eigenständig auf der Basis des "Clean Air Act", eines Umweltgesetzes von 1990, zu begrenzen.
Theoretisch könnte die EPA-Entscheidung es Obama auch ermöglichen, Klimaschutz-Bestimmungen in Kraft zu setzen, die das Abgeordnetenhaus bereits verabschiedet hat, der Senat bisher aber nicht. Dort hängt die entsprechende Gesetzesvorlage seit längerem fest, und ein Votum wird nicht vor dem Frühjahr erwartet. Obama hat jedoch bereits erklärt, dass er nicht am Kongress vorbei handeln wolle.
Die EPA hat aber nun freie Bahn für einige "Randmaßnahmen" zum Klimaschutz, darunter eine Begrenzung der Auto-Auspuffgase, wie sie bereits im Frühjahr angekündigt worden war. Sie sei fest der Auffassung, dass Gesetzgebung der beste Weg sei, um die Wirtschaft in Richtung saubere Energien zu bewegen, sagte Behördenchefin Lisa Jackson. Aber die EPA könne Aktionen des Kongresses "ergänzen".
Untätigkeit unter George W. Bush
Die EPA-Aktion fußt auf einem Urteil des Obersten Gerichtshofes der USA aus dem Jahr 2007, das der Umweltbehörde das Recht einräumte, die Treibhausgase als gesundheitsschädlich einzuordnen und damit den Ausstoß auf bestehende Rechtsgrundlage zu regulieren. Unter Obamas Vorgänger George W. Bush war die EPA aber untätig geblieben. Bereits wenige Wochen nach dem Amtsantritt des neuen Präsidenten war dann eine Kursänderung signalisiert worden.
Umweltorganisationen begrüßten den Schritt. Sie werteten ihn als eine Art Rückversicherung, dass die Regierung auch im Fall eines Scheiterns des Gesetzesvorhabens handeln werde. Der demokratische Senator John Kerry sprach von einer Botschaft an den Kongress, sich vorwärtszubewegen. Andernfalls riskiere er, dass Obama die Sache selbst in die Hand nehme. Dann würden aber Begleitmaßnahmen wie der Schutz von Arbeitsplätzen und Investitionsanreize wegfallen, wie sie in der Senatsvorlage enthalten seien.
Der Weltklimagipfel in Kopenhagen startet mit dieser guten Nachricht aus den USA in den zweiten Tag. Noch bis zum 18. Dezember versuchen Regierungs- und Staatschef aus aller Welt, ein Nachfolgeabkommen zu Kyoto auf den Weg zu bringen. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) äußerte sich zuversichtlich über die Erfolgschancen des Mammut-Treffens. "Es geht um das globale Überleben, es geht auch um die wirtschaftlichen Interessen aller Beteiligten", sagte Röttgen am Montagabend im ZDF- "heute journal". "Es wird keine Absichtserklärung geben, sondern es wird konkrete Entscheidungen geben." Diese müssten dann innerhalb eines kurzen Zeitraums in eine völkerrechtliche Vereinbarung überführt werden.
Erderwärmung: Wissenschaftliche Erkenntnisse solide
Der Chef des Weltklimarates, Rajendra Pachauri, unterstrich die Notwendigkeit, die Erderwärmung im Bereich von 2 bis 2,4 Grad zu drosseln. Sonst drohten katastrophale Auswirkungen. Die globale Durchschnittstemperatur sei im 20. Jahrhundert bereits um 0,74 Grad gestiegen, der Meeresspiegel um 17 Zentimeter. Sollte das Grönland- Eis schmelzen, könnte er um sieben Meter klettern.
Die US-Regierung wandte sich am Montag gegen Spekulationen, nach denen der Treibhauseffekt eine "Erfindung" von Wissenschaftlern sein könnte. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Erderwärmung seien solide, betonte der Sprecher des Weißen Hauses, Robert Gibbs. Anlass dieser Erklärung ist der Diebstahl von Hunderten E-Mails eines renommierten britischen Forschungszentrums, die dann - kurz vor dem Beginn des Weltklimagipfels - an die Öffentlichkeit lanciert worden waren und von Gegnern von Klimaschutz-Maßnahmen als Hinweis auf Datenmanipulation bei der Klimaforschung gewertet werden.