Die Schweiz hat abgestimmt. Am Sonntag. Und siehe da: Die sonst so toleranten, weltoffenen und urdemokratischen Eidgenossen haben sich gegen den Bau weiterer Minarette in ihrem Land ausgesprochen. Mit hoher Wahlbeteiligung und einer klaren Mehrheit. Und nun schauen alle verblüfft auf dieses Referendum: "Was ist denn da passiert?"
Tja, was ist da passiert? Wird die Schweiz wirklich von Minaretten überflutet? Nein, natürlich nicht. Oder ist die Islamisierung des Bergstaates schon so weit vorgeschritten, dass die Notbremse gezogen werden musste? Auch nicht. Um ehrlich zu sein: Dieses Votum sagt ganz wenig über die reale Situation in der Schweiz aus, aber viel über die Ängste der Schweizer. Oder genauer gesagt: Über die Ängste, die dort von bestimmten Leuten geschürt werden. Offensichtlich fühlt sich die Mehrheit in der Schweiz existentiell bedroht. Und bei der Minarett-Frage ist diese Angst jetzt ans Licht gekommen. Wirklich: Ich finde es unglaublich, wie viel Furcht aus dieser Abstimmung spricht!
Weise Entscheidungen fällen
Leider gilt zu allen Zeiten: Angst ist ein schlechter Ratgeber. Ein ganz schlechter. Vielleicht hat Jesus in seiner Bergpredigt deshalb auch so deutlich gesagt: „Fürchtet euch nicht vor Morgen. Kümmert euch das, was heute anliegt.“ Sprich: Natürlich müssen dringende Sachfragen im interkulturellen Dialog geklärt werden: die Ganzkörperverschleierung von Frauen, die Ausübung des islamischen Rechts, die Zwangsehen, die Zwangsbeschneidungen und und und. Da müssen weise Entscheidungen gefällt werden. Und zwar schnell. Das Minarett-Verbot dagegen erzählt nur von einer diffusen Angst, die hoffentlich bald überwunden wird. „Fürchtet euch nicht.“
Fabian Vogt ist Rundfunkpfarrer der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau und lebt in Oberursel bei Frankfurt. Außerdem ist er Schriftsteller, Musiker und Kabarettist.
