"Die Aufnahme jedes neuen Mitglieds ist ein Fest für die Kirche", sagte die EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann am Freitag vor Journalisten in Hannover. Sie stellte eine neue EKD-Studie vor, nach der in Deutschland jedes Jahr rund 60.000 Menschen durch Erwachsenentaufen, Übertritte oder Wiederaufnahmen in die evangelische Kirche eintreten. Die Zahl der Austritte lag nach EKD-Angaben im Jahr 2007 bundesweit bei rund 130.000.
Lange Zeit habe die Kirche einseitig nur auf die Zahl der Austritte geblickt, sagte die hannoversche Landesbischöfin Käßmann. Dabei sei die Zahl der Eintrittswilligen aus dem Blick geraten: "Hinter jedem der 60.000 steht ein bewusster Entschluss, wieder Mitglied der evangelischen Kirche zu sein." In den bundesweit inzwischen rund 140 Eintrittsstellen in Cityläden und Kirchenläden könnten Menschen unkompliziert wieder Mitglied werden. Hinzu kämen Eintrittsstellen auf Zeit, etwa bei Messen oder Ausstellungen, Stadtfesten und Einkaufszentren.
Bedeutung des Internet steigt
Die rund 100-seitige Studie mit dem Titel "Schön, dass Sie (wieder) da sind" empfiehlt, die Schwellen für den Eintritt neuer und die Rückkehr ehemaliger Mitglieder so niedrig wie möglich zu machen. Sie misst dem Internet eine zunehmende Rolle bei, um eine Kirchenmitgliedschaft anzubahnen. Ein Gespräch mit einem Pfarrer sollte allerdings für einen Eintritt verbindlich sein. Zudem werden unter anderem Tauf- und Einsteigerkurse angeregt.
Die Kirche müsse eine "Kultur des Willkommens" gestalten, sagte die Bielefelder Oberkirchenrätin Doris Damke als Vorsitzende der "Projektgruppe Wiedereintritt". Seit 2004 gilt EKD-weit, dass ein Kircheneintritt nicht nur beim örtlichen Pfarramt, sondern auch in besonderen Eintrittstellen über landeskirchliche Grenzen hinweg erfolgten kann.
Zwei Austritte, ein Eintritt
Von dem Mitgliederzuwachs geht der größte Teil auf Wiedereintritte (26.500) und Erwachsenentaufen (23.000) zurück. An dritter Stelle stehen Übertritte von ehemaligen Katholiken oder aus anderen Kirchen zur evangelischen Kirche, wozu sich jährlich mehr 9.000 Menschen entschließen. In West- und in Ostdeutschland treten Frauen den Angaben zufolge etwas häufiger der evangelischen Kirche bei als Männer. In den vergangenen Jahren kam auf zwei Austritte ein Eintritt. Die EKD hat knapp 25 Millionen Mitglieder.
Für Kircheneintritte ist der Studie zufolge überwiegend der Wunsch maßgeblich, das individuelle Verhältnis zur Kirche zu klären und wieder dazugehören zu wollen. Weitere Anlässe sind persönliche Anliegen oder biografische Ereignisse wie der Wunsch nach kirchlicher Trauung und die Übernahme einer Taufpatenschaft.
Offenheit statt Bürokratie
In dem Text wird ein möglichst unkompliziertes Aufnahmeverfahren befürwortet. Wenn Menschen zur evangelischen Kirche gehören wollten, dürften sie nicht den Eindruck bekommen, "einem bürokratischen Apparat mit vielen Anforderungen zu begegnen, sondern einer Atmosphäre der Offenheit und Gastfreundschaft". An Eintrittswillige sollten deshalb keine höheren Erwartungen gestellt werden als an Kirchenmitglieder, ihre Lebensstile und individuelle kirchliche Bindung seien anzuerkennen. In diesem Zusammenhang wird auch geraten, die Wiederaufnahme nicht als Vergebung einer Verfehlung gegen die Gemeinschaft zu inszenieren.
Eine gestufte Mitgliedschaft wird in der EKD-Studie abgelehnt. "Kirchenmitgliedschaft light" könne es nach evangelischem Verständnis nicht geben. Verwiesen wird hingegen auf unterschiedliche Beteiligungsformen. So könnten sich Nichtmitglieder in Fördervereinen für Kirchenmusik oder Kirchengebäude, aber auch in evangelischen Schulen und Kindergärten einbringen, wird argumentiert.