USA und EU verlieren das Interesse an Welthandelsrunde

USA und EU verlieren das Interesse an Welthandelsrunde
Pascal Lamy verbreitet in diesen Tagen wenig Optimismus. "Natürlich bin ich manchmal frustriert", gibt der Generaldirektor der Welthandelsorganisation zu. Zumal es kurz vor dem siebten WTO-Ministertreffen mit Lamys Organisation nicht zum Besten steht. Das höchste WTO-Gremium tagt in Genf.
27.11.2009
Von Jan Dirk Herbermann

Vor allem die Welthandelsrunde unter dem Dach der WTO sorgt für Frust: Acht Jahre nach dem hoffnungsvollen Start in Katars Hauptstadt Doha stecken die Verhandlungen vollkommen fest. Die 153 WTO-Mitglieder sind so zerstritten, dass Lamy die sogenannte Doha-Runde erst gar nicht offiziell auf die Tagesordnung des Ministertreffens setzte. "Mein Gefühl sagt mir, dass die Entscheidung noch nicht reif ist", sagt der WTO-Chef. Der französische Sozialist will vielmehr "strukturelle" und "prozedurale" Fragen diskutieren.

Doch Diplomaten warnen: Je länger sich der Stillstand der Welthandelsrunde hinziehe, desto mehr schrumpfe die Chance, dass sich die Streithähne überhaupt einigen. "Jeder Tag, an dem nichts passiert, ist ein verlorener Tag für die Welthandelsrunde", betont ein Unterhändler.

Größtes Handels-Minus seit den 30er Jahren

Ursprünglich sollte die Welthandelsrunde niedrigere Zölle, sinkende Subventionen und weniger Bürokratie bringen. Die armen Staaten, so der Plan, würden stärker in den internationalen Warensaustausch eingebunden. Die Weltbank versprach Wohlfahrtsgewinne von mehreren Hundert Milliarden US-Dollar für die gesamte Weltwirtschaft, falls ein Abkommen zustande komme: Globalisierungsgewinne für alle.

Doch mit dem Beginn der Weltwirtschaftskrise rutschte auch der Welthandel in die Krise. Die Statistiker verzeichneten das größte Handels-Minus seit den 30er Jahren: Von 2008 auf 2009 schrumpfte der Warenaustausch laut Prognosen um zehn Prozent. Und immer mehr Länder schützen ihre Märkte vor der unliebsamen ausländischen Konkurrenz.

Entwicklungsländer brauchen einen "Fairen Deal"

Die Internationale Handelskammer zählt zwischen November 2008, kurz nach dem Beginn der Krise, und September 2009 rund 280 protektionistische Aktionen. Betroffen sind Agrargüter, Eisen, Stahl, Elektrogüter, Kleidung, Textilien und Schuhe. Die reichen Staaten führten die meisten Handelshemmnisse ein. "Das muss aufhören", warnt die Kammer. Denn der Protektionismus würgt den Welthandel ab, und macht Verhandlungen über Marktöffnungen in der WTO immer schwieriger.

Auch die Entwicklungsländer treten in der Welthandelsrunde auf die Bremse. Die armen Staaten, die eine Mehrheit bilden, wollen vor allem eine Öffnung der Agrarmärkte des reichen Nordens für ihre Produkte durchsetzen. Die hohen Agrar-Importzölle der Industrieländer und die milliardenschweren Subventionen für die Bauern in der EU, in den USA und in Japan müssten ein Ende haben, verlangen sie. "Wir brauchen einen fairen Deal", betont Faizel Ismail, Südafrikas WTO-Botschafter in Genf. Gleichzeitig macht er klar: "Wir haben eine starke Allianz gebildet, um dem Druck der entwickelten Länder standzuhalten."

Obama unter Druck

Doch die reichen Blöcke drängen überhaupt nicht auf einen Abschluss der Doha-Runde. Im Gegenteil, die USA und die Europäische Union halten sich in der WTO derzeit dezent zurück. Brüssel beschäftigt sich mit sich selbst. Die Europäische Union, die für die Handelspolitik ihrer 27 Mitglieder verantwortlich ist, muss in den nächsten Wochen einen neuen Handelskommissar finden. Die Amtsinhaberin, Catherine Ashton, die noch amtierende EU-Handelskommissarin, wechselt in das neu geschaffene Amt des EU-Außenministers. Ob Ashton zum WTO-Treffen überhaupt erscheint, ist mehr als fraglich.

Der zweite große Spieler in der WTO, die USA, scheint das Interesse in die Doha-Runde weitgehend verloren zu haben. "Die ganze Welt aber schaut auf die USA, um die Verhandlungen wieder flott zu machen", sagt der frühere US-Botschafter bei der WTO, Peter Allgeier. Seit dem Amtsantritt von Präsident Barack Obama im Januar startete Washington keine ernsthafte Initiative zur Rettung der Gespräche. Damit reagiert die Regierung auf die Stimmung im US-Kongress: Im Parlament gewinnen die Gegner des Freihandels immer stärker die Oberhand. Obama müsste ein Abkommen vom Parlament absegnen lassen. Der einflussreiche Abgeordnete Michael Michaud, ein Demokrat, forderte sogar: Obama solle die Doha-Runde für "tot" erklären.

epd