Mehr Geld für Afghanistan - Hilfswerke mit negativer Bilanz

Mehr Geld für Afghanistan - Hilfswerke mit negativer Bilanz
Dauerthema Afghanistan-Engagement: Während Hilfswerke mangelnden Erfolg beklagen, will Deutschland mehr Geld einsetzen. Auch soll in Kürze die neue US-Strategie feststehen.

Das Bundesentwicklungsministerium stellt weitere 52 Millionen Euro zur Stabilisierung Afghanistans zur Verfügung, die vor allem in Nordafghanistan eingesetzt werden sollen, wie Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) ankündigte.  Hilfsorganisationen zogen unterdessen eine negative Bilanz des internationalen Engagements in Afghanistan. Die internationale Gemeinschaft habe die bisherigen politischen und militärischen Ziele nicht erreicht.

US-Präsident Barack Obama kündigte an, seine mit Spannung erwartete neue Militärstrategie für Afghanistan "innerhalb von Tagen" zu verkünden. Nach wochenlangen Geheimberatungen teilte der Sprecher des Weißen Hauses mit, Obama habe nun "die Informationen, die er für seine Entscheidung will und braucht". Der öffentliche US-Rundfunksender NPR nannte den 1. Dezember als wahrscheinliches Datum der Bekanntgabe.

Regionalentwicklungsfonds für Wirtschaft, Politik und Bildung

Das deutsche Entwicklungsministerium stellt mit der Mittelaufstockung in diesem Jahr insgesamt 144 Millionen Euro für die Stabilisierung und Entwicklung Afghanistans bereit. Mit den 52 Millionen Euro sollen ein Regionalentwicklungsfonds zur Förderung von Erwerbsmöglichkeiten und guter Regierungsführung in der Region Kundus sowie der Bau von Berufsschulen finanziert werden. Auch das Rechtsstaatlichkeitsprogramm des Ministeriums, das den Polizeiaufbau von deutscher Seite flankiert, soll ausgeweitet werden.

"Mit dieser Zusage treten wir in Vorleistung", sagte Niebel. Die neue afghanische Regierung müsse nun das ihre dazu beitragen, den Stabilisierungs- und Entwicklungsprozess mit einer Verstärkung der afghanischen Sicherheitskräfte, mit konsequenter Korruptionsbekämpfung und mit einem reformorientierten Regierungshandeln zum Erfolg zu führen. Zudem sagte der Minister zusätzliche zehn Millionen Euro für die Verbesserung der Regierungsführung in Pakistan zu.

"Situation der afghanischen Bevölkerung dramatisch verschlechtert"

Hilforganisationen kritisierten dagegen, indem die Afghanistan-Strategie insgesamt zu scheitern drohe, würden auch ihre humanitären und entwicklungspolitischen Ziele gefährdet. "Trotz des internationalen Militäreinsatzes hat sich die Situation der afghanischen Bevölkerung dramatisch verschlechtert", sagte der stellvertretende Vorsitzende des Verbands Entwicklungspolitik (VENRO), Jürgen Lieser, am Dienstag in Berlin. Die Menschen litten unter Armut, Hunger und der prekären Sicherheitslage, monierte Lieser anlässlich der Afghanistan-Konferenz seines Verbands. Die Entwicklungsfortschritte seien insgesamt enttäuschend, der Kampf gegen Drogenhandel und Korruption würde nur halbherzig vorangetrieben.

Gerade bei jungen Afghanen wachse der Zorn gegenüber den ausländischen Besatzern. Immer mehr würden sich daher bewaffneten Widerstandstruppen anschließen. "Vom Ziel, ein stabiles Afghanistan zu schaffen, sind wir weit entfernt", sagte Lieser. VENRO gehören 117 private und kirchliche Hilfswerke an.

Aziz Rafiee, Direktor des afghanischen Dachverbandes Afghan Society Form (ACSF), beklagte wie Lieser die Vermischung von ziviler und militärischer Hilfe in Afghanistan. Die Regionalen Wiederaufbauteams würden die Souveränität der afghanischen Regierung untergraben. Die internationale Gemeinschaft müsse statt in den Militäreinsatz in den zivilen Aufbau und die Unterstützung von lokalen Strukturen investieren.

Umstrittene US-Truppenaufstockung

Bei der lange erwarteten Entscheidung Obamas geht es vor allem um die Frage, ob und um wie viele Soldaten die USA ihre Afghanistan-Truppen aufstocken. Im Gespräch sind Varianten von 10.000 bis 40.000 zusätzlichen Soldaten - derzeit haben die USA rund 68.000 Soldaten in Afghanistan. Bei einem neuerlichen geheimen Beratungstreffen des sogenannten Kriegsrats am Montag ging es laut Weißem Haus "nicht nur darum, wie man die Leute dahin (nach Afghanistan) bekommt, sondern um die Strategie, sie da wieder rauszuholen".

An dem Treffen des sogenannten Kriegsrats nahmen Medienberichten zufolge unter anderem Vizepräsident Joe Biden, Verteidigungsminister Robert Gates und Generalstabschef Mike Mullen teil. Der Oberbefehlshaber der US-Truppen in Afghanistan, General Stanley McChrystal, und der US-Botschafter in Kabul, Karl Eikenberry, seien telefonisch zugeschaltet worden, hieß es weiter. McChrystal hat von Obama die Entsendung weiterer 40.000 Soldaten gefordert, um die Taliban besser bekämpfen und die Ausbildung der afghanischen Truppen voranbringen zu können. Dagegen hatte Eikenberry, selbst ehemals US-Oberbefehlshaber am Hindukusch, vor eine Truppenaufstockung gewarnt. Zuvor müsse die Regierung des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai die Korruption wirksam bekämpfen und Maßnahmen zur Stabilisierung des Landes ergreifen.

epd/dpa