"Wie gläubig man in einem Spiel doch sein kann!"

"Wie gläubig man in einem Spiel doch sein kann!"
Im Videospiel "Gothic" gibt es drei Götter, an die jeder Spielcharakter glaubt und sich für einen von beiden entscheidet. Die Spieler vor dem Bildschirm müssen das natürlich nicht. Für die meisten ist das Beten im Spiel ohnehin nur Mittel zum Zweck, etwa um ihre Gesundheit zu regenerieren oder einen Bonus zu erhalten. Aber wie sieht es aus mit dem Verhältnis der Spieler zur Gothic-Götterwelt?
23.11.2009
Von Cornelia Kurth

"Glaubt Ihr an Gott?" – diese Frage taucht mindestens einmal pro Woche in der "Plauderecke" eines der größten Spieleforen in Deutschland auf, der "WorldofPlayers". Die Stimmung dort ist locker, doch wenn es um Glaubensfragen geht, wird oft heftig und tiefsinnig diskutiert. So gab es auch eine Reihe nachdenklicher Antworten auf die Frage, inwieweit die Gothic-Götterwelt die einzelnen Spieler beeinflusst, berührt oder sogar etwas mit dem eigenen realen Glauben zu tun hat.

Mattias Filler aus dem Storyteam von Pyranha-Bytes, den Machern des Kult-Rollenspieles - im Vorweg gefragt, was die Fans wohl antworten werden – meinte lachend, die meisten Spieler hätten sicher ein rein pragmatisches Verhältnis zu den Göttern Innos, Adanos und Beliar. Gebet und Segen würden sie wohl nur nutzen, um dadurch die Fähigkeiten des Helden zu steigern.

Nun, zum Teil hatte er recht.

Die Antwort des Nutzers Urphate kann da beispielhaft für mehrere ähnliche Rückmeldungen stehen: "Ich weiß nicht, ob man das 'Beten' im PC-Spiel mit dem realen Leben vergleichen kann", schreibt er. "Im Spiel ist das ein Feature, bei dem ich einen bestimmten Effekt erziele. Da macht es für mich keinen Unterschied, ob ich die Spielfigur an einem Schrein niederknien lasse oder eine Medipack-Station anzapfe (Half Life). Es gibt also eine Garantie auf ein Ergebnis, die es bei einem 'richtigen' Gebet nicht gibt. Das hat mit Glaube und Hoffnung nichts zu tun."

"Im Spiel ein gläubiger Mensch"

Doch etwa die Hälfte der insgesamt 30 Antwortenden sieht die Sache auch anders. Das Spiel bringt dann doch die Beschäftigung mit spirituellen und Glaubensthemen in die Wirklichkeit. Einige Antworten von Spielern und Spielerinnen, mit ihrem Foren-Namen und Alter:

Otto von Bismarck (16): "Ja, mir bedeuten die Götter in Gothic sehr viel, schon erstaunlich wie gläubig man in einem Spiel doch sein kann und wie ungläubig gleichzeitig in der realen Welt. Ich habe in Gothic immer regelmäßig gebetet, die Boni waren dabei eher Nebeneffekt und als Paladin hab ich liebend gerne die ganzen Schreine von der bösen Aura Beliars bereinigt. Es ist einfach ne feine Sache zu kämpfen, und gleichzeitig mit Sicherheit zu wissen, dass Innos auf deiner Seite ist und dich (zumindest indirekt) unterstützt."

Neomadra (17) schreibt: "Ich bin im Spiel ein gläubiger Mensch. Würde ich keinen Bonus bekommen, dafür aber ein "Danke, mein Sohn", dann würde ich wohl trotzdem noch beten. Das Ganze nehme ich natürlich nicht wirklich ernst, aber ich mache das aus Spaß, um besser in die Rolle zu schlüpfen."

"Ins Rollenspiel-Feeling reingerutscht"

Idunir (16): "In Spielen bin ich etwas anders als in der Realität. In Gothic 2 zum Beispiel diene ich den Göttern als Paladin oder Feuermagier. Jedoch im Real Life glaube ich nicht an Gott. Ich halte Gott für einen 'Aberglauben', den die Leute damals aus Angst und Furcht erfunden haben."

KalomsZweiteFrau (31): "(...) Dann bin ich aber ins Rollenspiel Feeling hineingerutscht und bin ins Kloster gegangen. Das Initiationserlebnis war schon eine Gänsehautsituation. 'Als Zeichen Deines freien Entschlusses tritt durch die Pforte...' - das ist genial. So repräsentierte ich zuletzt stolz auf der Insel mit meiner Hohen Robe den ganzen Hohen Rat, forderte Respekt und spendete Trost, und betrachtete die im Spiel aufgeworfenen großen Fragen (Wer bin ich? Wohin gehe ich? Was will ich, warum will ich es, und wie darf ich es erreichen?) aus dem Blickwinkel der großen traditionsreichen Gemeinschaft. Das Spiel kanalisiert für mich einige Themen, inklusive Religion, mit denen ich mich auch außerhalb beschäftige, und auf eine spannende Weise."

B. Lastbar (17): Als ich den ersten Beliarschrein im Minental gefunden habe, bin ich vor diesem zwar in die Knie gegangen, hab mich dann aber wieder abgewendet, ohne zu ihm zu beten, da ich mich keinem "bösen" Gott hingeben wollte.

"Für Gerechtigkeit und das Richtige kämpfen"

Heinzi (20): "Innos und Beliars Kreaturen würden im Krieg versinken, wenn Adanos nicht wäre. Deswegen gab es für mich auch keine andere Wahl als den Weg des Adanos in Gothic 3, da die Herrschaft eines 'radikalen' Gottes nichts Gutes verheißen kann. Das war dann auch der Zeitpunkt, ab dem ich meinen Charakter für Gerechtigkeit und das Richtige kämpfen ließ und nicht einfach nach dem Motto: 'Welcher Weg gibt die coolsten Skills'."

Ameldur (18): "Alle meine Charaktere beten zu einem Gott, ganz einfach weil ich im Real Life auch an Gott glaube. (Ok, man könnte jetzt argumentieren, dass man seinen Glauben verrät, wenn man im Rollenspiel zu einem Gott aus Spielen betet, aber so streng wird das sicher keiner sehen)."

Xeron (19): "Was meine Glaubenshaltung im Spiel wohl am besten widergespiegelt hat, waren die Worte, die der Held zu Raven im Tempel Adanos' gesagt hat: 'Bist du dir sicher, dass ich ein Diener Innos bin? Könnte ich nicht auch ein Diener Adanos sein? Vielleicht diene auch ich Beliar... oder nur mir selbst.'"