Arme Südafrikaner müssen vor der WM weichen

Arme Südafrikaner müssen vor der WM weichen
Weit spannt sich der stählerne Bogen über die Zuschauerränge. 106 Meter über den Boden erhebt er sich an seiner höchsten Stelle. Wer ihn zu Fuß oder per Seilbahn überquert, hat einen fantastischen Blick über Durban bis weit hinaus auf den Indischen Ozean: Das Fußball-WM-Stadion in Südafrikas zweitgrößter Stadt lockt Besucher nicht nur mit Sport, sondern auch mit spektakulärer Architektur. Am 29. November findet das Eröffnungsspiel statt: AmaZulu FC gegen Maritzburg United.
23.11.2009
Von Gesine Wolfinger

Desmond D'sa kann dem eindrucksvollen Bau nichts abgewinnen - und noch weniger dem Großereignis, das dort im kommenden Jahr stattfinden wird. "Diese Fußball-WM ist mehr Fluch als Segen", sagt der Programmkoordinator der Umwelt-Allianz von Süd-Durban. Er kennt die Kehrseite des Mega-Events, zu dem Südafrika im Juni und Juli 2010 eine halbe Million Fans erwartet, nur zu gut.

Seine Organisation hat täglich mit Menschen zu tun, die einem WM-Projekt im Weg waren. Ihre Hütten und Häuser standen zu dicht neben einem Fußballstadion in der Armensiedlung Umlazi im Süden Durbans. Das dortige Stadion sollte zu einer Trainingsarena für die WM-Mannschaften ausgebaut werden.

Nachbarn mussten den FIFA-Vorschriften weichen

Laut einer Vorschrift des Weltfußballverbandes FIFA müssen alle WM-Austragungsorte neben den offiziellen Spielstätten auch Trainingsmöglichkeiten bieten - die den FIFA-Standards in puncto Größe und Sicherheit entsprechen. Im Januar mussten daher die unmittelbaren Nachbarn des Stadions weichen, Hals über Kopf, wie sie erzählen. Sie hatten kaum Zeit, ihre Möbel und sonstigen Habseligkeiten zusammenzupacken.

Jetzt leben sie in Wellblechbaracken an einem staubigen Hang, weit entfernt von Freunden und Verwandten, von Geschäften und ihren Jobs - falls sie noch einen haben. Begi Gena ist einer von ihnen. Früher hat er sich mit dem Verkauf gekühlter Getränke durchgeschlagen. Aber an seinem neuen Quartier hat er keinen Strom für seinen Kühlschrank. Zu protestieren, sagt er, wage er nicht - aus Angst vor Repressionen.

Keine Entschädigung, kein Verständnis

Die vierfache Mutter Mavu Busisive kann die Tränen nicht unterdrücken, als sie von ihrem früheren Haus und dem Obstgarten erzählt. Die Früchte verkaufte sie auf dem Markt und hatte ein Einkommen. Jetzt steht sie vor dem Nichts. Für ihr zerstörtes Haus hat sie keine Entschädigung bekommen.

Das Versprechen von Südafrikas Präsident Jacob Zuma, die Fußball-WM werde allen Südafrikanern zugute kommen, muss in ihren Ohren wie Hohn klingen. Umweltaktivist Desmond D'sa ist nicht traurig, sondern wütend. "Die einfachen Leute kämpfen um Wasser, Jobs und ihre Ernährung," sagt er. "Aber die Regierung gibt das Geld nur für Stadien aus."

Geräumter Platz wird gar nicht gebraucht

Bei Juli-May Ellingson stoßen diese Vorwürfe auf Unverständnis. Die Häuser, die in Umlazi abgerissen wurden, seien nicht legal gewesen, sagt die resolute Frau mit den dunklen Haaren, die in Durban für die Vorbereitung der Fußball-WM zuständig ist. Der Boden gehöre der Stadt. Die Umgesiedelten hätten zudem die Möglichkeit, sich bei der Regierung um einen Zuschuss im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus zu bewerben. Ihr Aufenthalt in den Wellblechbaracken sei lediglich vorübergehend. Auch habe die Stadt für die WM-Projekte kein Geld von Sozialprogrammen abgezogen, betont sie.

Indessen hat die FIFA entschieden, die WM-Teilnehmer in Hotels im Norden Durbans unterzubringen. Das Stadion in Umlazi wird als Trainingsstätte gar nicht gebraucht. Der Weg dorthin wäre angesichts der eng getakteten Stundenpläne einfach zu weit.

epd