Deutschlands Zusteller leben tatsächlich "tierisch" gefährlich: Rund 600 Postboten erleiden alljährlich bei Hunde-Attacken so schwere Verletzungen, dass sie mindestens einen Tag, manchmal sogar wochenlang ausfallen. Jörg Ulbricht will ihnen die Angst vor den kläffenden Tieren nehmen. Er gehört zu den Hundetrainern, die spezielle Schulungen für die 80.000 Zusteller der Deutschen Post anbieten.
"Den Hund nicht vollquatschen"
Mit Schäferhund Uzz und Border Collie Dolly ist er nach Frankfurt (Oder) gereist, um Heike Bork und rund 50 Kollegen Tipps zu geben, wie sie auf angriffslustige Vierbeiner reagieren sollten. "Es liegt nicht an erster Linie an der Uniform, dass einige Hunde wild auf Postboten sind", erklärt Ulbricht. "Jeden Tag das gleich Ritual, jeden Tag das gleiche Auto, jeden Tag wird Hektik verbreitet - da setzt bei dem Hund der Beutereflex ein." Deshalb rät der Hundetrainer: "Ruhige, enge Bewegungen und fangen Sie nie an, den Hund vollzuquatschen."
Auch vermeintliche Hypnose des Tieres und langsam rückwärts zurückweichen seien völlig fehl am Platze, wie einer der tragischsten Fälle von Hunde-Attacken auf Postboten zeigt. Tatort: Elstra in Sachsen, im Frühjahr 2003. Zwei Hofhunde greifen eine 40-jährige Briefzustellerin an, verbeißen sich in Gesicht, Nacken, Beine. Der 75-jährige Hundebesitzer kann die rasenden Tiere nicht stoppen. Erst seiner Frau gelingt es, die Hunde wegzusperren - doch da ist die Postbotin bereits schwer verletzt.
"Dann wird eben nicht zugestellt"
Wie kam es zu dem dramatischen Angriff? "Die Frau wollte sich vorsichtig rückwärts davonmachen und ist gestürzt, da fielen die Tiere über sie her", berichtet Ulbricht den sichtlich entsetzten Postboten im Zustellzentrum Frankfurt (Oder). Grundsätzlich gilt: Wird ausdrücklich an einem Zaun vor einem bissigen Hund gewarnt, gehe der Zusteller auf eigene Gefahr hinein, betont Ulbricht. Und wenn es nicht möglich ist, sicheren Fußes an den Briefkasten zu kommen: "Dann gibt's eben keine Zustellung."
Um sich nicht wieder in eine brenzlige Situation zu bringen, hat Postbotin Heike Bork immer ein Leckerli für den Notfall in der Tasche - obwohl ihr Arbeitgeber dies nicht gerne sieht. "Es ist nicht erlaubt, mit Futter zu arbeiten, weil der Hundebesitzer nicht unbedingt damit einverstanden ist", mahnt die Betriebsleiterin des Zustellstützpunktes Frankfurt (Oder), Karin Fischer. Post-Sprecher Rolf Schulz meint allerdings: "Wir drücken dabei schon mal ein Auge zu, wenn sich die Postboten mit den Tierhaltern abgesprochen haben."
Laien können Hunde nicht einschätzen
Schließlich geht es um die Sicherheit der Postboten, die sich niemals auf den wohlbekannten beschwichtigenden Satz von Hundehaltern - "Der tut nichts" - verlassen sollten, wie Trainer Ulbricht immer und immer wieder betont. "Einem Laien ist es nicht möglich, einen Hund richtig einzuschätzen." Alle Alarmglocken sollen beispielsweise immer dann schrillen, wenn ein Hund völlig abweisend wirkt.
Und auch Schäferhund Uzz schaut die umstehenden Postboten aus seinen dunklen Augen wirklich sehr vertrauenerweckend an. Er wedelt mit dem Schwanz, scheint rundum zufrieden. Doch dann zückt Ulbricht eine Jute-Rolle. Uzz verbeißt sich wie von Sinnen minutenlang in den kleinen Sack - im Ernstfall hätte das die Wade eines Postboten sein können.