Die Koordinatorin des Interdisziplinären Zentrums für Ostasienstudien an der Frankfurter Universität führt den Zustrom auf einen Verlust an Werten und Orientierung sowie auf ein Bedürfnis nach gemeinschaftlichen Strukturen zurück. Die Regierung akzeptiere diesen Trend und stehe vor allem dem sozialen Engagement der Christen wohlwollend gegenüber, sagte Fiedler. Auch die Untergrundkirchen würden inzwischen "meist stillschweigend geduldet".
Theologische Monografien
Der Theologe Qu Xutong, der derzeit am Fachbereich evangelische Theologie an der Uni Heidelberg promoviert, wies zwar darauf hin, dass es noch manche Beschränkungen gebe. Die Verfolgung von Christen gehöre in China jedoch "definitiv der Vergangenheit an", sagte er.
Auf der von der evangelischen Kirche zur Buchmesse organisierten Veranstaltung sprach Qu Xutong über seine Forschungen zum Phänomen der sogenannten "Kulturchristen". Das seien Intellektuelle, die sich
bereits seit den 1970er Jahren mit christlicher Theologie beschäftigten, "viele Klassiker übersetzt und sogar theologische Monografien geschrieben haben". Sie stünden "dem christlichen Glauben sehr nahe", ließen sich aber nicht taufen und besuchten keinen Gottesdienst.
Dass im heutigen China immer mehr Menschen Interesse am Christentum zeigen, ist nach Ansicht von Luis Gutheinz, Inhaber der Gastprofessur "Theologie interkulturell" an der Frankfurter Universität, den "erschütternden Erfahrungen des Sozialismus" zuzuschreiben. "Die Leute sehnen sich nach einer Weltsicht, die die Menschenwürde wahrt und Hoffnung gibt", sagte der seit 1961 in Taiwan lebende Jesuitenpater.
epd