Gewerkschafter mit Bischofskreuz tritt ab

Gewerkschafter mit Bischofskreuz tritt ab
Der Bischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Schaumburg-Lippe, Jürgen Johannesdotter, geht in den Ruhestand. Seine Nachfolge tritt im Dezember Karl Hinrich Manzke an.
16.10.2009
Von Michael Grau und Jörg Nielsen

Am 1. Mai geht er gern demonstrieren. Dann ist Bischof Jürgen Johannesdotter nicht auf der Kanzel zu finden, sondern am Rednerpult der Gewerkschaft. "Die Solidarität ist die politische Schwester der Nächstenliebe", pflegt er zu sagen. Nach acht Jahren an der Spitze der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Schaumburg-Lippe geht in den Ruhestand und gibt sein Bischofskreuz weiter.

In einem Festgottesdienst in der Stadtkirche in Bückeburg wurde er am Samstag verabschiedet. Sein Nachfolger Karl Hinrich Manzke tritt im Dezember seinen Dienst an und wird im Januar 2010 offiziell eingeführt. Mit Johannesdotter stand zum ersten Mal ein Mitglied der IG Metall an der Spitze einer Landeskirche. Aufgewachsen als Sohn einer Arbeiterfamilie in Bramsche bei Osnabrück prägt ihn die mehr als 50-jährige Mitgliedschaft in der Gewerkschaft bis heute, sagt er.

Flächenmäßig kleinste Landeskirche

Nach vielen Jahren in leitenden Ämtern der hannoverschen Landeskirche kam Johannesdotter 2001 als Bischof in die benachbarte Kirche Schaumburg-Lippe an der Grenze zwischen Niedersachsen und Westfalen, die der Fläche nach kleinste Landeskirche in Deutschland mit 61.000 Mitgliedern. Dort begegnete ihm ein ganz besonderer Menschenschlag: "Sie sind fromm, rot und lieben ihren Fürsten", sagt er schmunzelnd mit Blick auf regionale SPD-Mehrheiten. "Ich lege Wert darauf: zuerst fromm", fügt er hinzu.

Nur 22 Gemeinden gehören zu der Landeskirche, die aus einem früheren Fürstentum hervorging und sich ihre Eigenständigkeit bewahrt hat. Eine Kirche der kurzen Wege - das hat viele Vorteile, findet Johannesdotter: "Die Kirche kann schneller auf Herausforderungen reagieren." Den engen Kontakt zu den Gemeinden habe er im Bischofsamt immer sehr geschätzt. Seine Unabhängigkeit werde sich Schaumburg-Lippe bewahren können, so lange sich die Kirche selbst finanzieren könne, meint er. Und darum ist ihm nicht bange, denn die Kirchensteuern fließen dort relativ verlässlich.

Auch Nachfolger tritt für Selbstständigkeit ein

Sein Nachfolger Manzke, derzeit noch Superintendent in Aurich, hat schon Ähnlichkeiten zwischen den Protestanten in Schaumburg-Lippe und Ostfriesland ausgemacht: "Im Schaumburger Land gibt es einen starken Zusammenhalt zwischen den Menschen in der Region und ihrer Kirche." Deshalb reize ihn seine neue Aufgabe. Es gelte, die schaumburgische Landeskirche zu entwickeln und zu gestalten. Wie sein Vorgänger Johannesdotter will Manzke weiterhin für die Selbstständigkeit der kleinen Landeskirche eintreten. Er ist davon überzeugt, dass es keine normierte Größe für eine Landeskirche gibt.

Gleichwohl müsse die gute Nachbarschaft bewahrt werden: "Schaumburg-Lippe darf nicht zu einem gallischen Dorf werden." Die Kirche habe die Aufgabe, den Menschen das Evangelium verständlich zu vermitteln, sagt der leidenschaftliche Prediger. "Sie gehört zum Alltag der Menschen und nicht ins Museum." Er selbst sei ein Fan traditionell geprägter Gottesdienste. Doch müsse die Kirche beweglich bleiben, ohne dabei ihre Inhalte aufzugeben.

epd