Die rund 570 Buchverlage Chinas sind in staatlicher Hand, aber die Regierung setzt zunehmend auf wirtschaftlichen Erfolg. Immer noch werden kritische Autoren mit Verboten belegt und dürfen ihre Werke nicht veröffentlichen. Aber das Internet schafft neue Möglichkeiten.
Als Privatverleger ist Zhang Xiaobo in China ein Pionier. Er wünscht sich noch mehr Freiheit und Dynamik in der Welt der Bücher. "In Zukunft sollte es freie Publikationsmöglichkeiten geben", sagt der Mittvierziger im armeegrünen T-Shirt und blauer Stoffhose. "Und wir brauchen gesunde Konkurrenz durch eine vollständige Öffnung des Marktes für ausländische Verlage."
Zhang leitet das erste staatlich-private Verlagshaus in China, die Beijing Fonghong Media Aktiengesellschaft, die Anfang des Jahres gegründet wurde. Das staatliche Phoenix Media Publishing Network hält 51 Prozent der Anteile. Zhang schrieb 1992 Gedichte und war auf der Suche nach einem Verlag, als er selbst Verleger wurde. Er lektorierte Gedichtbände, Romane und Sachbücher, darunter den 1997 zum Bestseller avancierten Band "China kann nein sagen", der die nationalistische Stimmung im Verhältnis zum Westen zum Ausdruck brachte.
Visionen und Pluralismus
Bei Publikationen sind private Firmen auf Kooperation mit den staatlichen Verlagen angewiesen. "Der Staat schätzt im Gegenzug die Innovationskraft und Marktnähe solcher privat Tätigen", sagt Zhang. Ihm geht es aber auch um Visionen und Pluralismus in der Literatur. So packte er gleich mehrere heiße Eisen an: die erste chinesische Veröffentlichung des von islamischen Fundamentalisten angefeindeten britisch-indischen Autors Salam Rushdie ("Scham und Schande") und die Professoren-Satire des chinesischen Autors Yan Lianke ("Ballade, Hymne, Ode"). Zwei Werke Yans waren in der Vergangenheit verboten worden.
Heute sei die Kontrolle der Literatur in China anders als früher, sagt Verleger Zhang. Trotz der behördlichen Genehmigungspflicht könnten gute Werke erscheinen: "In Bezug auf die Qualität der
Literatur ist die staatliche Zensur längst nicht mehr das große Problem", sagt er.
Die regimekritische Publizistin Dai Qing, deren Erscheinen bei einem China-Symposium Mitte September in Frankfurt für Wirbel sorgte, sieht dies völlig anders. Die Umweltaktivistin darf seit 1990 keine Texte veröffentlichen. Sie fordert ein Presse- und Publikationsgesetz in China, damit Autoren und Journalisten ihre Rechte einklagen können.
Engagierten Verlegern und Buchhändlern macht auch die staatlich gelenkte Kommerzialisierung Sorgen. Anstatt talentierte Autoren zu fördern, investieren staatliche Verlage lieber in Bestseller für die Massen, etwa in Wellness-Bücher oder Erfolgsratgeber.
Heikle Themen
Die Tabus werden weniger, aber es gibt sie noch: Zu den heiklen Themen gehören die Armee, das Tiananmen-Massaker an friedlichen Demonstranten 1989 oder der damals geschasste reformorientierte
kommunistische Parteichef Zhao Ziyang (1919-2005). Brisante Texte dazu lassen sich in Auszügen aber leicht im Internet finden. Auch Raubkopien kursieren.
Einige Autoren bringen kritische Bücher auch bei Verlagen in Hongkong heraus, das als Sonderwirtschaftszone innerhalb der Volksrepublik mehr Freiheiten genießt. Oder die Werke werden auf der - aus offizieller chinesischer Sicht - abtrünnigen Insel Taiwan gedruckt. Auf Bestellung werden sie mit Aufpreis in die Volksrepublik gebracht. Anders als vor zehn Jahren halten kleine Läden am Rand von Peking solche Schriften aber nicht mehr vorrätig. Die Nachfrage nach politisch-kritischer Literatur sei gesunken, heißt es.
Autor Yan Lianke sieht bei chinesischen Schriftstellern die Schere im Kopf am Werk. "Durch die langen Jahre im System übt jeder eine unsichtbare Selbstzensur", sagt der 51 Jahre alte ehemalige Soldat. Es fehle an Mut, den trotz staatlicher Kontrolle vorhandenen Raum für gute Literatur auszuschöpfen: "Die jüngere Schriftstellergeneration sind oft betüddelte Einzelkinder, sehr egoistisch und materialistisch."
epd