Ein Blick auf die Uhr: Es ist jetzt 16.45 Uhr. Heute um 16.45 Uhr produziere ich diesen Podcast. Blick zurück um 19 Jahre: Es war der 13. Mai 1990, auch gegen 16.45 Uhr, niedersächsischer Landtag Hannover. Die Niedersachsen sind aufgefordert, ein neues Parlament zu wählen. Zwei Männer streiten um den Posten des Ministerpräsidenten: Amtsinhaber Ernst Albrecht von der CDU gegen einen jungen Herausforderer von der SPD namens Gerhard Schröder. Doch an diesem Tag geht es mehr als um das Duell Albrecht gegen Schröder. Es geht um die Frage: Schafft es schwarz gelb oder kommt es tatsächlich, das zweite Mal nach Hessen, zur Bildung einer rot-grünen Regierung? Bei den Grünen klopft ein Mann an die Regierungstür. Es ist ein junger, hungriger Politiker, der sich an der Seite von Gerhard Schröder etablieren will. Sein Name: Jürgen Trittin.
Damals, vor 19 Jahren gegen 16.45 Uhr bilden sich die ersten Gerüchte auf den Fluren des Landtags. Es könnte reichen für Rot-Grün. Um 18 Uhr die Prognose: Schwarz-Gelb führt hauchdünn mit einer Stimme. Dann die erste Hochrechnung: Patt! Und dann mit der zweiten Hochrechnung stabilisiert es sich tatsächlich: Rot-Grün erhält die Mehrheit, Schröder wird Ministerpräsident, Trittin sein Stellvertreter. Schröders politische Karriere ist inzwischen geschrieben. Aber was wird aus Trittin? Wohin führt ihn sein langer politischer Weg?
Vieles von dem, was damals um 16.45 Uhr im niedersächsischen Landtag die politische Spannung fast zum Bersten brachte, ähnelt der Situation heute um dieselbe Zeit. Vor der Bundestagswahl stellen sich alle die Frage: Reicht es für Schwarz-Gelb? Und der eine wichtige Mann in der Opposition, der gegen die Mehrheit von CDU und FDP kämpft, heißt Jürgen Trittin.
Wiederholt sich Geschichte? Vollendet sich der Weg des Grünen Politikers, der an der Seite von Renate Künast die Grünen in diese Wahl geführt hat?
Nein, nicht ganz. Diesmal geht es um den Bundestag, nicht um einen Landtag. Diesmal wäre ein Verhindern von Schwarz-Gelb nicht gleichbedeutend mit einer Mehrheit von Rot-Grün. Diesmal wäre mit einem Scheitern von Schwarz Gelb der Weg für Trittin zur Regierungsmacht nicht frei. Das aber geht vorüber.
Die Lebens- und Karrieregeschichte von Jürgen Trittin deutet auf eines glasklar hin: Dieser Mann will gestalten – der gibt sich nicht mit Opposition zufrieden. Falls es also nicht für CDU-FDP reicht, wenn stattdessen die Große Koalition weitermacht, steht Trittin ante portas. Und dann können wir uns gleich nach der Bundestagswahl auf weitere Farbenspiele freuen:
Schwarz-grün, Rot-Rot-Grün – alles möglich. Nur eins scheint unwahrscheinlich: Dass Jürgen Trittin weitere vier Jahre in der Opposition verharrt, wenn es für Schwarz-Gelb nicht reichen sollte.