Die Beteiligung an der Bundestagswahl könnte auf ein Rekordtief sinken. Trotz sonnigen Wetters fast überall in Deutschland gaben am Sonntag bis 14 Uhr nur 36,1 Prozent der Bundesbürger ihre Stimme ab. 2005 waren es zum gleichen Zeitpunkt bereits 41,9 Prozent. Am Sonntag wurde aber wegen des schönen Herbstwetters damit gerechnet, dass viele Bürger möglicherweise erst später ins Wahllokal gehen. Die Stimmen der Briefwähler, deren Zahl diesmal höher liegen dürfte, sind allerdings noch nicht berücksichtigt.
In Brandenburg und Schleswig-Holstein, wo gleichzeitig neue Landtage gewählt werden, verzeichneten die Wahllokale im Vergleich zur letzten Landtagswahl eine stärkere Beteiligung, im Vergleich zur letzten Bundestagswahl aber ebenfalls ein Minus. Die Wahllokale schließen um 18 Uhr. Unmittelbar danach folgen die ersten Prognosen und Hochrechnungen. Wahlberechtigt sind rund 62,2 Millionen Bundesbürger.
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Erwartet wird ein äußerst knapper Ausgang. Nach den letzten Umfragen hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gute Chancen, im Amt zu bleiben - entweder an der Spitze eines Bündnisses mit der FDP, für das sie im Wahlkampf geworben hatte, oder in der Wiederauflage einer großen Koalition. Schwarz-Rot regiert das Land seit 2005. Die SPD mit Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier kann vor allem darauf hoffen, sich wieder als Juniorpartner in ein Bündnis mit der Union zu retten. Alle anderen Koalitionsvarianten gelten als unwahrscheinlich.
"Es lohnt sich"
Merkel gab am Mittag in Berlin-Mitte ihre Stimme gemeinsam mit ihrem Mann Joachim Sauer ab. Am Samstag hatte sie ihre Anhänger zu einem Wahlkampf bis zur letzten Minute aufgerufen. "Es lohnt sich, heute noch bis in die späten Abendstunden mit jedem Nachbarn und Freund noch ein Wort zu reden", sagte die Kanzlerin in der Hauptstadt. Auch Steinmeier forderte von seinen Genossen, den "fulminanten Wahlkampf" bis zur letzten Sekunde fortzusetzen. "Das Wahlergebnis wird ein ganz anderes sein, als es vor Wochen vorhergesagt wurde", so der Bundesaußenminister am Samstag in Dresden. Am Sonntagmorgen ging er mit seiner Frau Elke Büdenbender in Berlin-Zehlendorf wählen.
Bundespräsident Horst Köhler rief trotz der weit verbreiteten Politikverdrossenheit zur Stimmabgabe auf: "Zur Wahl gehen, das heißt mit dafür sorgen, dass die Wahl im Ergebnis wirklich den Willen des Volkes ausdrückt", schrieb er für die "Bild am Sonntag". Die Nichtwähler seien in den Parlamenten nicht vertreten. Der EKD-Ratsvorsitzende Bischof Wolfgang Huber sagte am Sonntagmorgen im Deutschlandfunk, wer nicht wähle, stärke die Extreme und entziehe sich der einfachsten Aufgabe, die die Bürger hätten. Alle Menschen seien zur Politik berufen, nicht nur die Berufspolitiker.
Entscheidung durch Überhangmandate?
Um die rund 600 Sitze im 17. Deutschen Bundestag bewerben sich mehr als 3.500 Frauen und Männer aus 28 Parteien. Entscheidend könnten die Überhangmandate werden: Im Extremfall könnten für Union und FDP selbst 45 Prozent der Stimmen reichen, um eine Mehrheit zu bekommen. Überhangmandate gibt es dann, wenn eine Partei in einem Bundesland direkt in den Wahlkreisen mehr Mandate gewinnt als ihr nach den Zweitstimmen zustehen. Davon könnte diesmal vor allem die CDU profitieren.
Bei der Bundestagswahl 2005 hatte die Wahlbeteiligung einen historischen Tiefstand von 77,7 Prozent erreicht. Damals erreichten CDU/CSU 35,2 Prozent der Stimmen, die SPD 34,2 Prozent, die FDP 9,8 Prozent, die Linke 8,7 Prozent und die Grünen 8,1 Prozent. Zeitgleich zur Bundestagswahl finden auch in zwei Ländern Abstimmungen über die künftigen Regierungen statt. In Brandenburg und Schleswig-Holstein bemühen sich die Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) und Peter Harry Carstensen (CDU) um eine Wiederwahl. In beiden Bundesländern gab es bislang ebenfalls große Koalitionen. Vor allem das Kieler Bündnis aus CDU und SPD gilt als zerrüttet.
Panne mit Stimmzetteln in Berlin
In einem Berliner Wahllokal im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf wurden am Sonntagmorgen falsche Wahlzettel für die Bundestagswahl verteilt . Wie eine Sprecherin des Landeswahlleiters mitteilte, tauchten dort Stimmzettel eines anderen Wahlkreises mit anderen Kandidaten auf. Das Problem sei bereits behoben worden, fügte sie hinzu. Kreuze, die bereits auf den falschen Wahlzetteln abgegeben worden seien, müssten aber nun als ungültig gezählt werden. Auch in Bad Salzungen in Thüringen kam es zu einer Panne; dort trafen in einem Wahlbüro Unterlagen aus Köln und Wiesbaden ein. Die Stadt Köln ließ die Papiere per Taxi zurück in die Domstadt befördern.
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