Kirchen ziehen Zwischenbilanz ihrer ökumenischen Sozialinitiative

Kirchen ziehen Zwischenbilanz ihrer ökumenischen Sozialinitiative
Das neue Sozialwort von evangelischer und katholischer Kirche ist nach seinem Erscheinen kontrovers diskutiert worden. Bei einem Kongress in Berlin meldeten sich am Mittwoch Experten aus Politik, Kirche und Sozialwirtschaft kritisch zu Wort.

Vier Monate nach Vorstellung ihrer ökumenischen Sozialinitiative haben die beiden großen Kirchen in Deutschland eine Zwischenbilanz der Debatte gezogen. Bei einem Kongress am Mittwoch in Berlin nannte Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) das Papier der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der katholischen Deutschen Bischofskonferenz "ein wichtiges Signal". Es gebe aber keine direkte Antwort auf die Frage der Gerechtigkeit.

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Die Ministerin kündigte an, dass im nächsten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, der 2016/2017 erscheint, die Bedeutung von Reichtum eine stärkere Rolle spielen solle. Sie wolle "weg von der reinen Statistik", sagte die Sozialdemokratin. Es solle untersucht werden, welche Rolle Reichtum für die gesellschaftliche Teilhabe und die Durchsetzung eigener Interessen spielt. "Wie verhalten sich Reiche in Bezug auf die Teilhabechancen der Anderen?", fragte Nahles.

Der evangelische bayerische Landesbischof Berlin Heinrich Bedford-Strohm nannte es eine gesellschaftliche Herausforderung, das Primat der Politik wiederzufinden. Die Politik sei von der Lösung der drängenden sozialen Probleme weit entfernt. Dazu gehörten die Ungleichheit in der Gesellschaft und die weltweite Ausbeutung von Ressourcen auf Kosten der kommenden Generationen, sagte der Theologe, der dem Rat der EKD angehört. Weite Bereiche wirtschaftlichen Handelns stünden außerhalb demokratischer Kontrolle, obwohl die Auswirkungen weit in die Gesellschaft hinein reichten. Als negatives Beispiel nannte er die Macht des Welt-Fußballverbands FIFA auf Brasilien bei der laufenden Fußball-Weltmeisterschaft.

Von den Kirchen wird mehr Mut gefordert

Franz-Josef Overbeck, der Vorsitzende der Sozialkommission der Bischofskonferenz, griff die Kritik auf, dass die Sozialinitiative ohne einen breiten Diskussionsprozess in den Kirchen und ihren Verbänden entstanden sei. Die weitere Debatte solle unter breiter Beteiligung geführt werden, sagte der Bischof von Essen. Maria Lohheide, sozialpolitischer Vorstand der Diakonie Deutschland, sie hätte sich von dem ökumenischen Papier "mehr Deutlichkeit im Konkreten" gewünscht.

Der frühere Verfassungsrichter Udo di Fabio sagte hingegen: "Es ist nicht die eigentliche Aufgabe der Kirchen, Rezepturen zu geben." Es sei zu wenig, den Kapitalismus anzuklagen. Die Kirchen müssten sich gegen die Ökonomisierung des Menschen aussprechen. Er warnte davor, die Komplexität der Probleme zu unterschätzen. Die Kirchen verfügten aber über eine Botschaft, "die über das Wirtschaftliche hinaus geht", sagte der Jurist und bekennende Katholik. "Die Kirchen sollten mutiger sein als sie es sind."

Die beiden großen Kirchen hatten im Februar eine ökumenische Sozialinitiative vorgestellt. In dem rund 60-seitigen Papier mahnen evangelische und katholische Kirche Konsequenzen aus der Finanzmarktkrise und der Globalisierung an. Das Papier knüft an das gemeinsame Sozialwort von EKD und Deutschen Bischofskonferenz aus dem Jahr 1997 an. Kritiker bemängelten, dass die neue Initiative hinter dem alten Papier zurückgeblieben sei.