Vor dem Hintergrund sinkender Mitgliederzahlen berät die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) auf einem dreitägigen Kongress über Wege in die Zukunft. Zum Auftakt des Zukunftforums skizzierte Bundespräsident Joachim Gauck am Donnerstagabend in Wuppertal das Bild einer streitbaren Kirche, die sich kritisch einmischt. Der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider mahnte, sich bei Reformen auf Gottes Wort zu besinnen. Rund 800 Dekane, Kreispfarrer und Superintendenten aus den 20 evangelischen Landeskirchen nehmen am "Zukunftsforum 2014 für die Mittlere Ebene" teil, zu dem auch Workshops, Diskussionen und Kulturveranstaltungen in mehreren Städten des Ruhrgebiets gehören.
Gauck: Kirche soll Zumutung für die Gesellschaft sein
Glaubensgemeinschaften müssten eine Zumutung für die Gesellschaft sein, sagte Gauck vor den regionalen Verantwortungsträgern der evangelischen Kirche: "Es ist die Zumutung, uns mit Maßstäben zu konfrontieren, die oft quer zu dem stehen, was wir uns selber so schön ausgedacht und zusammengebastelt haben." Zu den christlichen Maßstäben gehörten das Eintreten für Schwache, für wirkliche Gerechtigkeit und für die Würde des Menschen.
Die Kirchen erlebt Gauck manchmal als "selbstgenügsam, bequem, wehleidig oder dem Zeitgeist verfallen". Nötig sei deshalb ein Aufbruch. "Wir müssen uns neu darauf besinnen, wie die junge Kirche einst in der alt gewordenen römischen Welt wuchs und gedieh und überzeugte", sagte Gauck laut Redetext: "als moralische und spirituelle Avantgarde, als eine frische, eigensinnige, vor allem aber als eine von ihrer Aufgabe überzeugte Gemeinschaft".
"Gottes Wort bewirkte einen neuen Anfang kirchlicher Existenz"
EKD-Ratschef Schneider sagte, nur durch das Hören auf Gottes Wort könnten theologisches Denken und Reden sowie kirchliches Handeln Früchte tragen. "Gottes Wort allein schenkt Verlässlichkeit im Wandel und trotzt aller Vergänglichkeit", betonte der frühere rheinische Präses. Das gelte auch für Zukunftsforen, Reformprozesse und Reformationsjubiläen.
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Schneider erinnerte in einem Gottesdienst an die Verabschiedung der Barmer Theologischen Erklärung vor 80 Jahren. Das Dokument, mit dem sich evangelische Christen von der Weltanschauung der Nationalsozialisten abgrenzten, sei Ausdruck einer theologischen und kirchlichen Neubesinnung inmitten einer Gesellschaft, die sich durch verbrecherische Ideologien und lähmende Ängste habe gefangennehmen lassen. "Gottes Wort bewirkte einen neuen Anfang kirchlicher Existenz als 'Kirche der Freiheit'", unterstrich Schneider.
Angesichts des Mitgliederrückgangs sieht der Theologe die evangelischen Kirchengemeinden vor neuen "spirituellen Herausforderungen". Dazu gehöre insbesondere, dass die Menschen wieder zu einer gelebten, inzwischen aber "weitgehend verdunsteten Alltagsfrömmigkeit" zurückfänden.
Der Vizepräses der EKD-Synode, Günther Beckstein, hob die Rolle der Ehrenamtlichen bei kirchlichen Reformen hervor. Etwa die Hälfte der rund 800 Forumsteilnehmer seien keine hauptamtlichen Kirchenmitarbeiter, sondern ehrenamtlich in der Leitung von Kirchenkreisen und Dekanaten engagiert, sagte der frühere bayerische Ministerpräsident. Ein EKD-weiter Austausch über Erfahrungen und Beschwernisse bei der Leitung von Gemeinden sei außerordentlich hilfreich.