Törö, Schuhu, Törööö! Mit Tiergebrüll und Masken vom Kindergeburtstag stürmen die ersten Kinder in die Kirche. Pfarrer Anselm Friederich-Schwieger, ein gemütlicher Mann mit Bart und grünem Pulli steht am Eingang und schmunzelt. "Na, wer möchte heute die Glocken läuten?", fragt er die Rasselbande. "Ich, ich, ich", rufen drei kleine Jungs gleichzeitig. Pfarrer Friederich-Schwieger lässt sie die Kippschalter umlegen.
Während die Glocken läuten, kommen immer mehr Kinder vom Spielplatz nebenan in die lichte Kirche aus Glas und hellem Holz. Am Ende wollen sich 17 auf die drei Holzbänkchen quetschen, die Pfarrer Friederich-Schwieger im Halbkreis vor den Altar gestellt hat. Er muss Nachschub holen. Die Eltern deponieren das Sandspielzeug unter den Stühlen und parken Kinderwagen am Eingang.
Die Gemeinde braucht Nachwuchs
Jeden Freitagabend laden Pfarrer Friederich-Schwieger oder einer der Ehrenamtlichen Kinder und ihre Eltern zum "Abendlied" in die Heidelberger Jakobuskirche ein – im Winter um 17 Uhr, im Sommer eine Stunde später. Jedes Mal lesen sie ein Bilderbuch vor, singen ein Lied und sprechen ein kurzes Gebet. Zwischen zehn und zwanzig Kindern kommen normalerweise.
Susanne Kilian, Vorsitzende des Ältestenkreises, blonde Haare, Lachgrübchen, hat selbst vier Kinder und gestaltet an diesem Abend die kleine Andacht, Pfarrer Friederich-Schwieger setzt sich zu den Besuchern. "Heute sind ja sogar Tiere gekommen", begrüßt sie die Kinder mit den Masken. Ein paar tauschen noch schnell die letzten Fußballsammelbilder, aber als Susanne Kilian mit dem Vorlesen beginnt, werden alle still. Nur ein Kind im Krabbelalter hat sich weiter hinten zwischen den Stuhlreihen verirrt und quakt ein paar Mal.
Die Jakobusgemeinde hat gut 2000 Mitglieder. Pfarrer Friederich-Schwieger weiß, dass sie zurzeit leicht wächst. Warum, könne er sich auch nicht genau erklären, sagt er. Wer ihn in seiner väterlich-unkomplizierten Art erlebt, ahnt, dass er sicherlich seinen Anteil an dieser positiven Entwicklung hat. Trotzdem ist Friederich-Schwieger durchaus bewusst, dass auch in seiner Gemeinde manchmal nur fünf Kinder im Kindergottesdienst sitzen und dass sie Nachwuchs braucht, wenn sie nicht irgendwann mit der Nachbarkirche zusammengelegt werden will.
Ein Bilderbuch, ein Lied, ein Gebet
Die Idee, ein "Abendlied" anzubieten, kam Anselm Friederich-Schwieger vor ein paar Jahren bei einer langweiligen Pfarrkonventssitzung. "Viele Kollegen beklagten sich, dass der Kindergottesdienst so schwach besucht wird", sagt er. "Ich hörte zu und dachte, dass man doch irgendetwas tun können müsste, etwas Harmloses, Schlichtes. Außerdem musste ich an die vielen Kinder denken, die direkt neben der Kirche auf dem Spielplatz spielen und abends meistens nicht nach Hause wollen." Warum also nicht eine kleine Andacht als Spielplatztag-Abschluss anbieten?
Als er Susanne Kilian von seiner Idee erzählt, ist sie sofort begeistert. "Es ist schön, den Kindern auf diese Weise zu zeigen, dass sie hier immer willkommen sind", sagt sie. Das meint auch Pfarrer Friederich-Schwieger. Er sei ein großer Fan von Kinderbibeln, aber ihm sei wichtig, dass in der Kirche auch die Themen Platz haben dürfen, die die Kinder zu Hause beschäftigen – in diesem Fall Bilderbücher.
"Überraschung für Papa" heißt der Titel, den Susanne Kilian für heute ausgesucht hat. Drei Mäusekinder wollen ihrem Vater zum Geburtstag Kaffee kochen und Eier braten. "Es knallt ohrenbetäubend. Tausend heiße Eierfetzen sausen durch die Luft, klatschen an die Tapeten und die Schränke, gegen die Decke und auf den Frühstückstisch. Von einer Sekunde zur anderen ist die ganze Küche gelb getüpfelt", liest Susanne Kilian.
Die Kinder kreischen vor Vergnügen, ein paar springen auf, um im Buch auf das Bild mit dem qualmenden Ofen zu zeigen. Susanne Kilian lacht. "Moment, setzt euch mal wieder hin, die Geschichte geht doch noch weiter", sagt sie.
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Am Ende schenken die Mäusekinder ihrem Papa statt Frühstück einen Putzgutschein. "Ein bisschen brutal, aber lustig war das, wie die Eier so durch die Luft geflogen sind", sagt hinterher ein Junge im grünen T-Shirt. Am besten gefallen hat ihm allerdings, wie nach dem Gebet und dem Lied alle zusammen die Kerze in der Mitte ausgepustet haben. "Pffffffff!" – er macht das Geräusch gleich nochmal.
Die anderen Kinder sind längst wieder nach draußen gestürmt. Zurück auf den Spielplatz. Aber zumindest bei einigen konnten die Eltern mit der Andacht wohl sprichwörtlich den Aufbruch einläuten.
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