Im Streit um mögliche Kontrollen an den EU-Binnengrenzen suchen Deutschland und Frankreich weiter die Konfrontation mit der EU-Kommission. "Für die Sicherheit ist jedes Land zuständig", sagte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) am Donnerstag in Luxemburg nach einem Ratstreffen der europäischen Innenminister. Friedrich und sein französischer Kollege Claude Guéant hatten den übrigen Regierungen zuvor einen gemeinsamen Brief vorgestellt. Darin fordern sie, in Ausnahmesituationen für die Dauer von 30 Tagen Grenzkontrollen einführen zu dürfen - und zwar, ohne der EU-Kommission Mitsprache zu geben.
Friedrich: Grenzdebatte "keine Wahlkampfhilfe" für Sarkozy
Die EU-Kommission will solche Kontrollen in Eigenregie aber nur für höchstens fünf Tage erlauben und danach der EU-Ebene einschließlich sich selbst die Entscheidungsmacht übergeben. Friedrich und Guéant haben bei den Ausnahmesituationen vor allem eine starke illegale Einwanderung an den europäischen Außengrenzen im Blick. Unterstützung erhielten die beiden Minister vor allem von ihrer österreichischen Amtskollegin Johanna Mikl-Leitner. Einige andere Regierungen trugen den Vorstoß im Grundsatz mit, meldeten aber in verschiedenen Einzelfragen Diskussionsbedarf an. Deutliche Kritik kam von Schweden.
Friedrich wies Spekulationen zurück, dass es sich bei der gemeinsamen Aktion mit Guéant um Wahlkampfhilfe für den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy gehandelt habe. Die bilaterale Zusammenarbeit sei eine gängige Praxis, sagte er. Guéant betonte, dass jedes Jahr etwa 400.000 illegale Einwanderer in den Schengen-Raum kämen. Laut Schätzungen hielten sich derzeit zwischen zwei und vier Millionen Illegale auf dem Gebiet der 25 Schengen-Länder auf.
Die EU-Kommission hatte im vergangenen September einen Gesetzvorschlag vorgelegt, der einen Mechanismus für befristete Grenzkontrollen vorsieht. Dabei geht es ihr allerdings weniger um das konkrete Thema Migration. Vielmehr möchte sie klare Kriterien und eine starke Beteiligung der EU-Ebene, um populistische Alleingänge zu verhindern. "Bei Schengen brauchen wir mehr Europa, nicht weniger", sagte am Donnerstag auch Innenkommissarin Cecilia Malmström.
Die griechisch-türkische Grenze soll stärker bewacht werden
Einigkeit herrscht unter den Regierungen und der EU-Kommission indessen darüber, dass die Reisefreiheit ein hohes Gut ist und es nur Grenzkontrollen geben soll, wenn andere Möglichkeiten nicht greifen. Die Minister dringen in diesem Zusammenhang darauf, dass die illegale Einwanderung an der griechisch-türkischen Grenze eingedämmt werden müsse. Sie sagen Griechenland dabei mehr Hilfe zu. Auch die Zusammenarbeit mit den türkischen Behörden wollen sie ausbauen.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International warf Friedrich und seinen EU-Amtskollegen falsche Prioritäten vor. "Statt über die Wiedereinführung von Passkontrollen nachzudenken, sollten die Innenminister über einen verbesserten Flüchtlingsschutz beraten", sagte die Asylrechtsexpertin Franziska Vilmar in Berlin. Dabei gehe es nicht nur um die Rettung von Bootsflüchtlingen in Not, sondern auch um die Gewährung von Asyl und eine europaweite Verteilung der Flüchtlinge, unterstrich sie.