Große schwarze Limousinen halten vor dem 5-Sterne-Hotel im Londoner Stadtteil Westminster. Am Ende der Straße Buckingham Gate steht der Buckingham Palace. Auch das britische Parlament ist nur einen Steinwurf entfernt. Es ist eine feine Gegend Londons. Armut ist nicht das, was man hier erwarten würde, aber jeden Tag in der Buckingham Gate tragen Menschen Tüten mit Lebensmitteln aus dem kleinen Seiteneingang der Kapelle in der Straße. Dass sich in den Nebenräumen der Kirche eine Lebensmittelausgabestelle für Bedürftige befindet, ist in der Gegend ein offenes Geheimnis.
"Sie wissen, wo sie uns finden"
Ein Hinweisschild am Eingang der Kirche fehlt. "Die Leute wissen, wo sie uns finden können", sagt Christine Bamigbola. Sie ist die Regionalmanagerin des Trussell Trusts, dem größten Träger von Lebensmittelausgabestellen, sogenannten Foodbanks, in Großbritannien. "Ja, auch Westminster hat Menschen, die sich ihr Essen nicht mehr leisten können", sagt sie.
###mehr-artikel###Die Foodbank in Westminster ist nur eine von rund 400 Tafeln, die der Trussell Trust betreibt. Jede Woche eröffnen mindestens zwei weitere im Land. Mehr als 30.000 Freiwillige verteilen die Lebensmittel und bieten Beratung an. Im vergangenen Jahr hat der Trussell Trust mehr als 3.500 Tonnen an gespendeten Lebensmitteln an Menschen verteilt.
Seit immer mehr Foodbanks in Großbritannien eröffnen, ist im Königreich eine Diskussion um die Einrichtungen entbrannt. Gerade hat der Trussell Trust bekanntgegeben, dass er allein in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres mehr als 600.000 Menschen mit Essensrationen für drei Tage versorgt hat, so viele wie nie zuvor. Im Jahr zuvor seien es noch 350.000 Menschen gewesen, denen die Organisation geholfen hat.
Die Regierung weist Vorwürfe von sich, ihre radikalen Sozialkürzungen und der Umbau des britischen Sozialsystems seien der Grund dafür, dass immer mehr Menschen bei ihrer lokalen Foodbank um Hilfe bitten. Der Trussell Trust hat indes Statistiken vorgelegt, die genau diese Vermutung unterstützen.
Änderungen bei Sozialleistungen als Ursache
Die Organisation arbeitet mit Essensgutscheinen, die sie an Sozialdienste, Vereine, Kirchen und andere Einrichtungen ausgegeben haben, damit diese sie an Hilfesuchende geben können. Auf den Gutscheinen wird abgefragt, aus welchem Grund die Notlage eingetreten ist. Ein Fünftel der Hilfesuchenden gab zwischen April und Dezember 2013 an, dass Änderungen ihrer Sozialleistungen sie in ihre missliche Lage gebracht haben. Weitere häufig genannte Gründe waren verspätet gezahlte Sozialleistungen oder ein zu niedriges Einkommen.
###mehr-links###"Wir geben den Menschen nicht nur Lebensmittel. Natürlich sprechen wir mit ihnen und versuchen die Gründe für ihre Notlage herauszufinden, um sie an andere Einrichtungen verweisen zu können, die das dahinterliegende Problem lösen können", sagt Christine Bamigbola.
Einer der Hilfesuchenden der Foodbank in Westminster ist an diesem Morgen ein junger Mann, der Probleme mit seinen Sozialleistungen hat, nachdem er sich bei einem Unfall den Arm gebrochen hatte. Einen Weiterbildungskurs musste er deswegen kurz vor Ende abbrechen. Daraufhin strich ihm die Behörde das Arbeitslosengeld und riet ihm, eine andere Leistung zu beantragen, so lange er nicht arbeiten kann. Doch auf die Auszahlung wartet er bislang vergebens.
Regierung schränkt Prozesskostenhilfe ein
"Das ist ein ganz typischer Fall", sagt Christine Bamigbola. Die Leute bekämen von heute auf morgen ihre Zahlungen gestrichen und warteten wochen-, teilweise monatelang auf eine neue Bewilligung. "Sie fangen an, bei den Heizkosten zu sparen, irgendwann kommen sie mit der Miete in den Rückstand, und bald reicht auch das Geld fürs Essen nicht mehr." Sich rechtlich gegen die Nicht-Zahlung zu wehren ist fast aussichtslos, zumal die Regierung den Zugang zur Prozesskostenhilfe massiv eingeschränkt hat.
Nach massiver Kritik an der nationalen Sozialpolitik hat die britische Regierung gemeinsam mit der Opposition nun eine Untersuchung beschlossen. Sie soll klären, woher der massive Anstieg an Lebensmittelarmut unter der Bevölkerung kommt.