Material für Giftgas-Fabriken in Syrien kam offenbar aus Deutschland

Material für Giftgas-Fabriken in Syrien kam offenbar aus Deutschland
Rund acht Monate nach einem verheerenden Giftgas-Angriff in Syrien werden weitere Details bekannt. Deutsche Firmen könnten in den 1980er Jahren Komponenten für Waffenfabriken geliefert haben.

Die mögliche Beteiligung deutscher Firmen am Aufbau des syrischen Giftgas-Programms beschäftigt die Generalbundesanwaltschaft. Ein Sprecher sagte am Mittwoch, die Behörde prüfe, ob eine Ermittlungszuständigkeit vorliege. NDR und "Süddeutsche Zeitung" (Mittwochsausgabe) hatten berichtet, dass deutsche Unternehmen zwischen 1982 und 1993 Maschinen, Anlagenteile und Chemikalien zum Bau von Giftgas-Anlagen nach Syrien geliefert hatten.

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Beide Medien zitieren aus einem vertraulichen Bericht der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW). Demnach hat die OPCW dem Auswärtigen Amt eine Liste mit mehr als 50 Lieferungen deutscher Firmen geschickt. Die Güter sollen zwischen 1982 und 1993 an Syrien gegangen sein. Es seien Schläuche, Container, Kontrollventile, Steuerungsanlagen, eine Chemiewaschanlage und 2.400 Tonnen Schwefelsäure geliefert worden, hieß es. Welche Unternehmen die Aufträge ausführten, wurde nicht öffentlich. Zudem waren die Lieferungen aus Deutschland den Medienberichten zufolge nicht verboten. Zum Lieferzeitpunkt gab es größtenteils noch keine Genehmigungspflichten oder sonstige Kontrollverfahren.

Das Auswärtige Amt warnte vor voreiligen Schlüssen. Die Informationen stammten aus syrischen Quellen, die an das OPCW ausgehändigt und an die Mitgliedsstaaten weitergeleitet wurden, unterstrich ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. Der Sachverhalt sei "extrem schwer aufzuklären". Der Generalbundesanwalt müsse nun entscheiden.

"Ungeheuerliche" Enthüllungen

Im August 2013 wurde bekannt, dass im syrischen Bürgerkrieg auch das tödliche Nervengas Sarin eingesetzt wurde. Inspektoren der Vereinten Nationen (UN) konnten die Verwendung des Giftgases an mindestens fünf Orten nachweisen. Bei den Angriffen wurden mehrere Hundert Menschen getötet.

Der Rüstungsexperte der Linksfraktion, Jan van Aken, forderte eine schnelle Aufklärung der Vorwürfe. "Das muss jetzt ernsthaft strafrechtlich verfolgt werden, denn hier geht es nicht um lapidare Verstöße gegen Außenwirtschaftsgesetze, sondern um Beihilfe zum Massenmord", erklärte van Aken. Die Vorstellung, dass der tödliche Sarin-Angriff nur mit Hilfe deutscher Firmen möglich war, sei grauenhaft. Er sprach sich zudem dafür aus, die Namen der Firmen zu nennen. "Es ist ein Hohn, dass die Bundesregierung diese Informationen zurückhält, denn wer Giftgasfabriken im Ausland mit aufbaut, der darf sich nicht in der Anonymität verstecken."

Die Grünen-Sprecherin für Abrüstung, Agnieszka Brugger, bezeichnete die Enthüllungen "als ungeheuerlich". "Die Bundesregierung muss schnellstens aufklären und darf sich nicht hinter dem Geschäftsgeheimnis der Firmen verstecken", sagte Brugger dem Evangelischen Pressedienst (epd). Auch wenn es heute striktere Exportregeln gebe, müssten diese nochmals überprüft werden. Es sei höchste Zeit, dass Deutschland gezielte Kontrollen über den Verbleib und den Verwendungszweck von Rüstungsgütern vornehme, statt sich auf die Erklärungen der Empfänger zu verlassen.

Bundesregierung glaubte an rein zivile Nutzung

Auf eine Anfrage der Linkspartei hin wurde bereits im Herbst vergangenen Jahres öffentlich, dass deutsche Firmen zwischen 2002 und 2011 mehrere hundert Tonnen Chemikalien an Syrien geliefert hatten. Es handelte sich dabei vor allem um Fluoride, die zur Herstellung von Zahnpasta oder zur Trinkwasseraufbereitung verwendet werden können, aber auch zur Herstellung des Giftgases Sarin.

Diese Waren gelten als "Dual-Use-Güter", die sowohl militärisch als auch zivil genutzt werden können. Der Export dieser Güter muss vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle genehmigt werden. Die Bundesregierung ging nach einer Prüfung der Genehmigungsanträge von einer rein zivilen Nutzung der Stoffe aus.