Es sei "ganz und gar unkatholisch" und Ausdruck "eines falschen Verständnisses des Petrusamts", wenn im Blick auf Erneuerungen alles vom Papst erwartet werde, sagte Lehmann dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Freitagsausgabe). In Deutschland gebe es "durch unsere Situation in der Gesellschaft und durch viele Männer und Frauen in unserer Kirche sehr große Möglichkeiten einer Erneuerung und Verlebendigung des Glaubens".
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Alles, was Papst Franziskus anrege, müsse die Ortskirchen dazu führen, eine "fade Bequemlichkeit bloß überkommenen Glaubens" zu überwinden, betonte Lehmann. "Sonst lassen wir ihn allein im Regen stehen." Lehmann beklagte Lethargie unter den deutschen Katholiken: "Manches verwirklichen wir nur halbherzig, mit Abertausend Ein- und Ausreden und ohne eine wirkliche Ansteckungskraft zu entwickeln, die auf andere wirkt."
Auch im innerkirchlichen Dialog hält Lehmann mehr Zivilcourage für angebracht. "Die Ortskirchen waren - und sind es vielleicht oft bis heute - im Gespräch mit Rom feige", kritisierte er. "Wir beklagen manchmal eine übergroße Macht Roms. Aber 'Rom' ist in vielem so stark, weil wir so schwach sind." Zwar hätten die deutschen Ortskirchen ihre Verantwortung für andere Teile der Welt und gegenüber dem Vatikan auch schon früher wahrgenommen. Aber dies sei doch "eher schüchtern und manchmal zu verborgen" geschehen, sagte der Kardinal.
Am Montag kommen die deutschen Bischöfe in Münster zu ihrer Frühjahrvollversammlung zusammen. Dabei wählen sie einen Nachfolger für Erzbischof Robert Zollitsch, der in den vergangenen sechs Jahren Vorsitzender der katholischen Deutschen Bischofskonferenz war. Lehmann stand der Bischofskonferenz von 1987 bis 2008 vor.