So schrieb der Gefreite Julius Pfeiffer, der sich freiwillig für die Artillerie gemeldet hatte, am 17. September 1915 in sein Tagebuch: "Wir wissen noch nicht, wohin wir kommen, nun hat mich aber Gott bis jetzt vor der Kugel des Feindes bewahrt und ich hoffe, dass er mich auch weiterhin bewahrt. Ich fürchte mich nicht vor dem Tode, ich bin froh, mein Vaterland verteidigen zu können."
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Einen Monat später - er ist gerade bei Belgrad - erhält Pfeiffer seine "Feuertaufe", wie er am 24. Oktober 1915 schreibt: "Die Serben haben die ganze Zeit geschossen und bei jedem Schuß duckten wir uns unwillkürlich und ich auch. (?) Die Serben schossen von links auf uns und ich befand mich zwischen den Pferden, und mein rechtes Pferd war verwundet. Diese Kartätsche (Artilleriemunition) war mir zugedacht, aber Gott hat mich gerettet, indem ich mich rechtzeitig duckte."
Protestantische Soldaten trugen häufig Bibeln oder andere religiöse Schriften mit sich. "In der Ausstellung zeigen wir ein Gebetbüchlein eines gefallenen Soldaten, das seiner Mutter zurückgeschickt wurde", erzählt Kuratorin Franziska Dunkel. Es ist einer der wenigen persönlichen Gegenstände, die der Mutter Emilie Fischer aus dem württembergischen Schorndorf von ihrem 20-jährigen Sohn Richard blieben, der 1915 in Polen getötet wurde: Sie schrieb wehmütig auf die graublaue Vorderseite des Büchleins: "Aus dem Feld von meinem lieben Richard gekommen. Juli 1915". Es handelt sich um ein "Evangelisches Kriegsgebetbüchlein für die württembergischen Truppen".
"Sollte ich ihm bald nachfolgen, ich bin bereit"
Die Familie Fischer war wohl insgesamt religiös. Richards Bruder Immanuel war evangelischer Pfarrer in Schorndorf. 1914/15 war er an der Westfront und dann in der Verwaltung des Kriegsgefangenenlagers Münsingen eingesetzt.
###mehr-links### Als er vom Tod seines Bruders Richard an der Ostfront 1915 erfuhr, schrieb er aus Münsingen an seine Mutter und Schwester: "Gott hat ihn zu sich gerufen, denn er hat unseren Bruder für die bessere Welt reif gehalten. Anders kann ich Richards Tod und den Tod so vieler andern nicht auffassen und das ist mir auch großer Trost." Für sich selbst folgert der Theologe: "...sollte ich ihm bald nachfolgen, ich bin bereit, der Tod hat für mich keinen Stachel mehr! In unserer Zeit erscheint mir manchmal das Leben schwerer als das Sterben."
Das Massensterben bewirkte bei vielen auch eine Abkehr vom Glauben. Die Tübinger Sozialwissenschaftlerin Claudia Schlager stellt in einer Untersuchung mit dem Titel "Kult und Krieg" fest: "Während sich zu Beginn des Krieges vermehrt Konversionen belegen lassen, manifestieren sich gegen Ende des Krieges vielmehr Berichte vom Verlust des Glaubens." Denn die Versuche der Kirchen, das blutige Geschehen zu legitimieren und zu deuten, seien in diesem beispiellosen Krieg für einen Teil der Gläubigen nicht ausreichend gewesen.
Andere dagegen hätten durch die Kriegserfahrung wieder oder überhaupt erst zum Glauben gefunden. "Ihren Schutz in der Gefahr wiederum schrieben Soldaten nicht nur dem Tragen von Medaillen, dem Empfang der Sakramente oder ihren eigenen Gebeten und Gottesdienstbesuchen zu, sondern auch den Gebeten von Familienangehörigen, die diese explizit für sie verrichteten", erläutert die Soziologin. In Feldpostbriefen von Soldaten an die Familie finde sich als Schlussformulierung nicht selten der Satz "Betet für uns!"