Bedenken gegenüber Ausnahmen beim Mindestlohn

Bedenken gegenüber Ausnahmen beim Mindestlohn
Die Bundesregierung darf einem Gutachten zufolge bestimmte Arbeitnehmer nicht einfach vom geplanten Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro ausnehmen. Rentner und Studenten dürfen nach dem Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags nicht außen vor bleiben, wenn die Regierung 8,50 Euro flächendeckend als Minimum festlegt.

Damit widerspricht der wissenschaftliche Dienst Plänen von CDU und CSU, wie die "Süddeutsche Zeitung" (Montagsausgabe) berichtet. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) begrüßte die Aussage des Gutachtens.

Laut Koalitionsvertrag soll zum 1. Januar 2015 ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro brutto pro Stunde eingeführt werden. Er soll aber erst zwei Jahre später, von 2017 an, "uneingeschränkt" gelten.

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Doch ein Ausschluss bestimmter Arbeitnehmergruppen vom Mindestlohn könnte nach Einschätzung der Gutachter gegen den Gleichheitsgrundsatz im Grundgesetz verstoßen. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen demnach vor allem beim Ausschluss von Rentnern und Studenten, wie ihn Unionspolitiker fordern. Das Gutachten war von der arbeitsmarktpolitischen Sprecherin der Grünen, Brigitte Pothmer, angefordert worden.

Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) hatte gesagt, ein Rentner, der sich etwas dazuverdient, müsste nicht den Mindestlohn-Regeln unterliegen. CSU-Chef Horst Seehofer hatte dies als "nicht abwegig" bezeichnet. Ähnlich äußerte sich auch CDU-Vize Julia Klöckner. Diese sogenannte Zubrot-Formel werde in dem Gutachten jedoch als besonders problematisch angesehen, heißt es in dem Bericht.

Mindestlohn statt Azubigehalt?

Mit der "Zubrot-Formel" der Union "könnte auch jeder erwerbstätigen Frau mit gut verdienendem Ehepartner der Mindestlohn vorenthalten werden - und umgekehrt", sagte die Grünen-Politikerin Pothmer. Große Gruppen von den 8,50 Euro auszuschließen, berge die Gefahr, dass die Untergrenze "systematisch unterlaufen und ein neues Niedriglohnheer unterhalb des Mindestlohns gebildet wird".

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hatte sich bereits gegen Ausnahmen gewandt. Diese fordern Wirtschaftsverbände auch für Langzeitarbeitslose, Taxifahrer oder Jugendliche. Rechtlich unproblematisch sind laut Bundestags-Gutachten Ausnahmen bei ehrenamtlich Tätigen, Auszubildenden oder Praktikanten in der Ausbildung, weil es sich hierbei nicht um Arbeitnehmer handelt. Dass für diese Gruppen der Mindestlohn nicht gelten soll, ist in der Koalition mittlerweile unumstritten.

Bei Saisonarbeitern sind laut Koalitionsvertrag ebenfalls Sonderregeln angedacht, was zumindest nach dem Gutachten juristisch schwieriger umzusetzen sein dürfte. In dem Papier des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags wird auch darauf hingewiesen, dass Ausnahmen bei Jugendlichen und jungen Arbeitnehmern gerechtfertigt sein könnten, um "falsche Anreize" zu vermeiden. Jugendliche sollten nicht verleitet werden, auf eine Berufsausbildung zu verzichten, heißt es darin.

Die Linken-Fraktion im Bundestag forderte Ministerin Nahles auf, das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes ernst zu nehmen. "Einen neuen Niedriglohnsektor unterhalb des Mindestlohns darf es nicht geben", sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Klaus Ernst am Montag in Berlin.