Macht Geld glücklich? Auf diese ewige Frage gibt Martin Scorsese in seinem Film "The Wolf of Wall Street" gleich zu Beginn eine so furiose wie aufschlussreiche Antwort. Da stellt sich aus dem Off ein Mann mit Namen Jordan Belfort vor und erzählt, dass er es im Alter von 26 Jahren auf ein Jahreseinkommen von 49 Millionen Dollar gebracht habe.
Und während die Stimme noch darüber scherzt, dass das ärgerlicherweise drei Millionen zu wenig waren, um auf eine pro Woche zu kommen, sieht man, was der junge Mann mit all seinem Geld so anstellte: Zum Beispiel heuerte er zum Amüsement seiner johlenden Mitarbeiter kleinwüchsige Menschen an, die sich auf Zielscheiben werfen lassen. Und er kaufte sich Drogen aller Art. Und Prostituierte. Und natürlich auch ein großes Haus mit riesigem Garten. Und einen Hubschrauber, mit dem er sich dorthin fliegen lassen konnte.
Und dann zeigt der Film, was Geld noch kaufen kann: die Macht, auch mal selbst das Steuer ergreifen zu können, um zugedröhnt von all den Drogen den Hubschrauber fast zum Absturz im eigenen Garten zu bringen.
Der Beinahe-Absturz, das Anwesen, die Frauen, die Zwerge und die Drogen - das alles sind verbürgte Elemente aus der Autobiografie des Aktienhändlers Jordan Belfort, der sich selbst den Titel "Wolf der Wall Street" verlieh, obwohl seine Firma übrigens ihren Sitz keineswegs an der Wall Street, sondern in Long Island hatte.
Belfort machte in den 80er und 90er Jahren von sich reden, weil er mit aggressiven Verkaufsmethoden im Aktienhandel mit besagten 26 Jahren zum Multimillionär aufstieg. Dass er dabei größtenteils illegale Praktiken anwendete und Tausende Menschen um ihre Ersparnisse brachte, brachte ihm Ende der 90er Jahre eine Haftstrafe ein.
Im Film von Leonardo DiCaprio verkörpert, hört man ihn auf der Höhe seiner Börsenkarriere das Geld als Mittel zur Unbesiegbarkeit preisen. Mit Geld könne man die Welt erobern und seine Feinde vernichten. Doch was man auf der Leinwand dazu sieht, ist etwas anderes: Geld ermöglicht, sich nicht an die Regeln halten zu müssen, Geld ermöglicht Exzess und Entgrenzung, die anarchische Freiheit des absoluten Sich-Gehen-Lassens.
Das zumindest legt Scorsese in seiner dreistündigen Verfilmung von Belforts Autobiografie nahe, indem er wieder und wieder Drogenrausch und Orgien in Szene setzt. Die meiste Zeit sind es Massenszenen: Betriebsfeiern von Stratton Oakmont, Belforts Firma, auf denen der Alkohol in Strömen fließt, nackte Frauenleiber mit Gebrüll begrüßt und Pillen aller Art geschluckt werden.
"Aber interessiert Sie das nun wirklich?"
"The Wolf of Wall Street" ist eine Enttäuschung für alle, die von Scorsese einen Film über die Finanzkrise oder die Dekadenz der Wall Street erwartet haben. Als habe er das vorhergesehen, hält Scorsese diesen Kritikern unsere, des Zuschauers, Sucht nach Unterhaltung entgegen: Mehrfach hebt die Stimme aus dem Off dazu an, größere Zusammenhänge zu erklären, etwa, was Pink-Sheet-Aktien sind oder wie eine Aktienemission vonstatten geht. Doch nach wenigen Sätzen bricht die Stimme mit der Frage ab: "Aber interessiert Sie das nun wirklich?" Und es folgt wie mit unserer aller Zustimmung die Beschreibung des nächsten dekadenten Unternehmens oder Drogenrausches von Belfort und Konsorten.
Scorseses Film ist weder Moritat noch Lehrstück. Wenn sich eine These aus "The Wolf of Wall Street" gewinnen lässt, dann die, dass Geld vulgär und gewöhnlich macht und mithin das Gegenteil von Raffinement und Kultur bedeutet.
Regie: Martin Scorsese. Buch: Jordan Belfort. Mit: Leonardo DiCaprio, Jonah Hill, Margot Robbie. Länge: 180 Minuten. FSK: ab 16 Jahre