Debatte um Zuwanderung und Hartz IV - CSU lässt nicht locker

Debatte um Zuwanderung und Hartz IV - CSU lässt nicht locker
Die Lage wird unübersichtlich: Die Opposition sieht die Bundesregierung durch eine Stellungnahme der EU-Kommission zu Sozialleistungen für Zuwanderer unter Druck. Das Arbeitsministerium erklärte dagegen am Freitag in Berlin, Deutschland werde die gegenwärtige Rechtspraxis beibehalten, Neuzuwanderer ohne Job von Sozialleistungen auszuschließen. Es gebe keine Veranlassung zu Änderungen, erklärte ein Sprecher.
10.01.2014
epd
Bettina Markmeyer

Regierungssprecher Steffen Seibert betonte, die EU-Kommission habe ihre Stellungnahme im Rahmen eines Gerichtsverfahrens abgegeben, dessen Ausgang die Bundesregierung abwarten werde. Die EU-Kommission wiederum erklärte in Brüssel, es gehe ihr nicht darum, "dass Deutschland die Bedingungen für den Zugang zu Sozialleistungen erleichtert." Anderslautende Äußerungen seien "falsch".

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Die zuständigen nationalen Behörden müssten aber die individuelle Lage eines Antragstellers berücksichtigen. Nach EU-Recht dürfe es keinen pauschalen Leistungsausschluss geben, weil alle EU-Bürger ein Anrecht darauf haben, gleich behandelt zu werden.

Ungeachtet der Erklärungen aus Brüssel, kündigte die Chefin der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, in der in Berlin erscheinenden "Welt" (Online-Ausgabe) an, ihre Partei wolle sich für Änderungen im europäischen Recht einsetzen. Setze die Kommission ihre Ansicht durch, dass deutsche Sozialleistungen leichter zugänglich sein müssten, "müssen wir Änderungen im europäischen Recht voranbringen", sagte Hasselfeldt. Das sei im Koalitionsvertrag vereinbart. Damit wandte sie sich auch gegen Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD).

Kommission: grundsätzlich Einzelfallprüfung

Nach Auffassung der Kommission sollte es bei der Sozialhilfe für Migranten grundsätzlich eine Einzelfallprüfung geben. Nach deutschem Recht erhalten nur Arbeitnehmer und Selbstständige Hartz-IV-Leistungen, nicht aber Migranten, die aus anderen Gründen ins Land kommen. In den ersten drei Monaten sind Hartz-IV-Leistungen ganz ausgeschlossen.

In dem Gerichtsstreit beim EuGH geht es um eine Rumänin, die mit ihrem kleinen Sohn 2010 zu ihrer Schwester nach Leipzig gezogen war. Sie hatte dort keine Arbeit aufgenommen und stattdessen Hartz IV beantragt. Nach dem ablehnenden Bescheid des Jobcenters legte das Sozialgericht Leipzig den Fall dem EuGH zur Bewertung vor.

Der EuGH urteilt grundsätzlich nicht über Einzelfälle, sondern gibt den Behörden der Länder allgemeine Leitlinien - entsprechend bedeutet auch die Position der EU-Kommission kein Plädoyer zugunsten oder zuungunsten der rumänischen Klägerin. "Behauptungen, dass die Kommission Deutschland drängt, allen arbeitslosen EU-Bürgern im Land Sozialhilfe zu gewähren, sind natürlich völlig falsch", betonte eine Sprecherin der EU-Kommission, Pia Ahrenkilde. Um Sozialleistungen in einem anderen Land zu erhalten, müsse ein EU-Bürger entweder Arbeit haben, ein enger Familienangehöriger sein oder einen regulären Dauerwohnsitz besitzen, sagte sie.

Kurth: Wer ernsthaft Arbeit sucht, soll Unterstützung erhalten

Die Grünen und die Linksfraktion begrüßten die Haltung der EU-Kommission. Der generelle Ausschluss von EU-Bürgern von deutschen Sozialleistungen müsse beendet werden, sagte der Sozialexperte der Bundestagsfraktion, Markus Kurth, dem epd: "Wer ernsthaft Arbeit sucht und keine findet, muss Unterstützung erhalten." Hierzu gehöre aber, wie für deutsche Staatsbürger auch, "der Nachweis von Eigenbemühungen". Für alle EU-Bürger müssten die gleichen Regeln gelten, "nur so funktioniert die Idee eines gemeinsamen Europas", betonte Kurth. Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, erklärte, jede Aufregung sei fehl am Platz. Die EU-Kommission gebe in ihrer Stellungnahme lediglich wieder, was der EuGH schon an anderer Stelle geurteilt habe.

Demgegenüber erklärte die CSU im Europaparlament, die Kommission dürfe den europäischen Gedanken nicht überstrapazieren. Der Zugang zum deutschen Sozialsystem müsse eher erschwert werden, "anstatt die Schleusen noch weiter und leichter zu öffnen", sagte der Vorsitzende der CSU-Gruppe, Markus Ferber.

Hintergrund der Debatte ist, dass für Arbeitnehmer aus Bulgarien und Rumänien seit dem 1. Januar die volle Freizügigkeit innerhalb der EU gilt. Nach Zahlen des Bundesarbeitsministeriums ist bisher der Anteil der Rumänen und Bulgaren an allen Hartz-IV-Beziehern mit 0,6 Prozent sehr gering.