Der Angeklagte habe sich zweifelsfrei des Totschlags schuldig gemacht, sagte die Vorsitzende Richterin Heike Hartmann-Garschagen. Eine Verurteilung wegen Mordes aber - allein dieser wäre nicht verjährt - komme aufgrund der Beweislage nicht in Betracht. (AZ: 31Ks 11/12)
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Der Mann aus Breckerfeld im Sauerland hatte die Tat stets bestritten. Vor Gericht räumte er ein, dass er bei der Erschießung von Dijkema dabei war. Er selbst sei zu dem Zeitpunkt unbewaffnet gewesen, geschossen habe sein Vorgesetzter August Neuhäuser.
Die Staatsanwaltschaft, die eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes gefordert hatte, prüft nun Revision gegen die Entscheidung des Landgerichts Hagen, wie Oberstaatsanwalt Andreas Brendel dem Evangelischen Pressedienst (epd) erläuterte. Die Nebenklage erwartet diesen Schritt. "Ich gehe davon aus, dass der Staatsanwalt in Revision geht", sagte Rechtsanwalt Detlef Hartmann auf Nachfrage. Seine Mandantin aber, die 97-jährige Schwester des Opfers Aldert Klaas Dijkema, werde sich "nach dieser Enttäuschung" eher nicht dazu durchringen können.
Deutsche Besatzer wollten sich bereichern
Die Richterin widmete sich ausführlich der Frage, ob das Opfer arglos gewesen sei, wies auf die vielen offenen Fragen zum Tathergang hin und unterstrich, dass sich die Zweifel zugunsten des Angeklagten auswirkten. Die Beweggründe des Angeklagten, der die Tat bestritten hatte, seine nationalsozialistische Gesinnung aber nicht leugnete und auch keine Reue zeigte, fanden nur am Rande Erwähnung.
Die Staatsanwaltschaft wirft Bruins Mord vor, weil Heimtücke im Spiel gewesen sei. Sie verwies dabei auf einen Prozess gegen den SS-Mann Heinrich Boere, den das Landgericht Aachen im März 2010 wegen heimtückischen Mordes verurteilte. Dieser Argumentation folgte das Hagener Gericht nicht. Dijkema sei nicht mit List, sondern mit Gewalt in die Hände der Nazis gelangt, führte Richterin Heike Hartmann-Garschagen aus.
Die Nebenklage führte zusätzlich niedere Beweggründe an. Den deutschen Besatzern sei es nicht nur um die Vernichtung von Menschenleben, sondern auch um finanzielle Bereicherung gegangen. Habgier sei daher als weiteres Mordmerkmal anzunehmen. Verteidiger Klaus-Peter Kniffka hielt entgegen: Nicht das nationalsozialistische Regime sitze auf der Anklagebank. Es gehe allein um die individuelle Schuld seines Mandanten, und die sei nicht erwiesen.
Kriegsverbrecher saß bereits im Gefängnis
Der gebürtige Niederländer Bruins hatte sich während der deutschen Besatzung der Waffen-SS angeschlossen und arbeitete im Sicherheitsdienst der Nationalsozialisten. In Amsterdamer Archiven wird er als "Bestie von Appingedam" bezeichnet. Nebenkläger-Anwalt Detlef Hartmann listete im Hagener Prozess eine Vielzahl von Festnahmen, Deportationen und Tötungen auf, an denen Bruins beteiligt gewesen sein soll.
1978 wurde Bruins, der den Namen Siegfried Bruns angenommen hatte, im westfälischen Breckerfeld durch den Nazi-Jäger Simon Wiesenthal aufgespürt. Seine Auslieferung an die Niederlande lehnte seinerzeit das Oberlandesgericht Hamm ab. Ein Erlass von Adolf Hitler vom 19. Mai 1943 verlieh Ausländern, die in nationalsozialistischen Verbänden Dienst leisteten, die deutsche Staatsbürgerschaft. Und eine Auslieferung deutscher Staatsbürger ließ das Grundgesetz nicht zu.
Zusammen mit dem 1985 verstorbenen Neuhäuser hatte sich Bruins 1980 vor dem Landgericht Hagen wegen Beihilfe an der Ermordung zweier jüdischer Brüder am 25. April 1945 in Delfzijl verantworten müssen. Er wurde zu sieben Jahren Haft verurteilt und saß fünf Jahre ab. Das damalige Ermittlungsverfahren wegen des Todes von Dijkema war eingestellt worden, weil die Anklage damals lediglich auf Totschlag lautete, der bereits verjährt war.