Ein streitbarer Pfarrer geht in Rente

Foto: epd-bild/Matthias Knoch
Ein streitbarer Pfarrer geht in Rente
Drei Tage gesteht er sich zu - dann darf er nicht mehr beleidigt sein, sagt Christian Wolff. Dabei hätte der Pfarrer der berühmten Leipziger Thomaskirche, an der einst Barockkomponist Johann Sebastian Bach als Thomaskantor wirkte, in den vergangenen 22 Jahren öfter mal Grund gehabt, sich gekränkt zurückzuziehen. Doch immer wieder meldet er sich zu Wort, sucht die Auseinandersetzung. "Ich bin wahrscheinlich der Einzige, der da auch Freude dran hat", sagt er. An diesem Montag wird Wolff in den Ruhestand verabschiedet. Nachfolgerin wird Britta Taddiken, damit steht erstmals eine Frau an der Spitze der traditionsreichen Thomaskirche.
05.01.2014
epd
Stephanie Höppner

Zu Wolffs Themen gehören vor allem der Streit um den Wiederaufbau der 1968 auf DDR-Geheiß gesprengten Universitätskirche, aber auch die Auseinandersetzungen um den Bildungscampus forum thomanum oder sein Unmut um die alljährlich wiederkehrende Open-Air-Musik in Leipzigs Innenstadt. Immer wieder hadert er auch mit der "Entchristianisierung" Ostdeutschlands. "Ich musste lernen , so schreibt er in seinem vor einem Jahr veröffentlichten Buch "Osterweiterung", "dass sehr viele Nichtchristen die Kirchen in einer Reihe sehen mit jeder x-beliebigen religiösen Sekte".

Wolff: Ich habe studiert, um die Welt besser zu verstehen

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1949 in Düsseldorf geboren, wächst Wolff in einem Elternhaus mit vier weiteren Geschwistern auf. Später studiert er Theologie in Wuppertal und Heidelberg. "Ich habe Theologie studiert, um die Welt und das Leben besser verstehen zu können", erklärt er. Neben seinem Studium engagiert er sich politisch, ist Mitglied der SPD und Vorsitzender des Allgemeinen Studentenausschusses AStA.

Nach 14 Jahren an der Unionskirche in Mannheim will er Veränderung. In einem Pfarrblatt entdeckt er durch Zufall die Anzeige für die Stelle an der berühmten Leipziger Kirche. Er ist begeistert, auch wenn er bislang nur wenig über die sächsische Stadt weiß. "Ich wollte da sein, wo die Weichen für die Zukunft gestellt werden", sagt er. Die Wiedervereinigung ist gerade ein Jahr her, Ostdeutschland für viele Westdeutsche ein völlig unbekanntes Terrain. "Ich hatte das Gefühl, die Welt ist seit 1989 in Aufruhr und wir leben dort am Rhein weiter so, als wäre nichts geschehen."

Als er im April 1991 das erste Mal Leipziger Boden betritt, ist er beeindruckt. "Man hat etwas Urbanes gerochen, obwohl es grauenhaft aussah." Die unsanierten Bauruinen in der einst prachtvollen Messestadt schrecken ihn nicht ab. Ganz im Gegenteil: Gerade das Unfertige reizt ihn. "Wir waren davon ergriffen, wir wussten - hier wird was passieren", erinnert er sich.

Wolffs Höhepunkt: Taufe von 21 Jugendlichen

Danach folgen abwechslungsreiche 22 Jahre: die Sanierung der Kirche, der erste ostdeutsche Kirchentag in Leipzig, die Gründung des Bildungscampus forum thomanum. 2012 feiern Thomanerchor und Thomaskirche ihr 800-jähriges Bestehen. Wolffs persönlicher Höhepunkt: Die Taufe von 21 Jugendlichen in einem Gottesdienst 2002. Die größte Herausforderung: "Auf der Kanzel stehen und etwas Wesentliches sagen, was die Menschen berührt und nachdenklich stimmt."

Auch wenn er ab Montag nicht mehr vor der Gemeinde stehen wird - ganz zurück ziehen will er sich nicht. Seinen Vorsitz bei der "Stiftung Chorherren zu St. Thomae" und des forum thomanum will er behalten. Zudem will er Beratung für die Bereiche Kirche, Politik und Kultur anbieten. Und auch Leipzigs Bürger werden weiterhin vom meinungsstarken Pfarrer hören - diesmal in einem Blog.