Den Gemeindeschwestern droht das Aus

Foto: epd-bild/Werner Krüper
In Zukunft zu teuer: Eine alte Dame unterhält sich in ihrer Wohnung mit einer Pflegekraft der Christlichen Seniorendienste in Hannover.
Den Gemeindeschwestern droht das Aus
Ohne die Gemeindeschwester, die sich aufopferungsvoll um die Alten in der Nachbarschaft kümmert, können sich viele Menschen die Kirche vermutlich nicht vorstellen. Doch für viele kirchliche Pflegedienste wird es finanziell immer enger.
30.12.2013
epd
Karsten Packeiser

Maggie Mildner und ihre Kolleginnen verstehen die Welt nicht mehr. "Der Tenor ist: Wir sind alle zu teuer", sagt die stellvertretende Pflegedienstleiterin der Evangelischen Sozialstation Mainz-Oppenheim. Im November musste der ambulante kirchliche Pflegedienst wegen drohender Zahlungsunfähigkeit Insolvenz anmelden. Und nun sollten sie wohl ein schlechtes Gewissen bekommen, weil sie angemessen bezahlt werden, ärgern sich die Altenpflegerinnen. Noch handelt es sich bei der Pleite um einen Einzelfall, doch an immer mehr Standorten müssen sich die Kirchen der Frage stellen, wie viel eigenes Geld ihnen die Pflege wert ist.

Rahn: "Wir wollen einen anständigen Lohn zahlen."

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Die in Mainz und Umgebung tätige Sozialstation war bereits seit Jahren in finanziellen Schwierigkeiten: Über eine Million Euro an Kirchengeld floss seit 2008 in den in eine gemeinnützige GmbH umgewandelten Pflegedienst, doch das dauerhafte Defizit von etwa 200.000 Euro im Jahr ließ sich nicht reduzieren. "Wir wollen als evangelische Kirche für eine anspruchsvolle Arbeit auch einen anständigen Lohn zahlen", sagt Volker Rahn, Sprecher der hessen-nassauischen Landeskirche (EKHN). "Der massive Druck im Pflege- und Gesundheitswesen lässt allerdings eine kostendeckende Rückfinanzierung mit den Standards, die wir uns gesetzt haben, inzwischen meist nicht mehr zu."

Auf dem Gebiet der EKHN liegt aktuell nur noch etwa jede sechste kirchliche Diakonie- und Sozialstation über den wirtschaftlichen Planwerten. Nach Angaben der Landeskirchenverwaltung in Darmstadt befinden sich neun ambulante Pflegedienste sogar in einer akuten Notlage.

60 Prozent aller kirchlichen Pflegedienste schreiben rote Zahlen

Auch anderenorts in der Republik stehen die Kirchen vor einem Dilemma: Wenn sie sich nicht aus dem Arbeitsbereich der ambulanten Pflege zurückziehen wollen, müssten sie entweder dazu übergehen, ihre Pflegekräfte mit niedrigen Löhnen abzuspeisen oder die Arbeit mit immer mehr eigenen Kirchensteuergeldern subventionieren.

So schreiben in Baden-Württemberg bei Caritas und Diakonie gut 60 Prozent aller Pflegedienste rote Zahlen. "Die Sätze sind für alle sehr knapp kalkuliert", sagt auch Bernd Meurer, Bundesvorsitzender des privaten Pflegeverbandes bpa. Diakonie und Caritas hätten zwar die höchsten Tarife, allerdings könnten auch private Dienste es sich eigentlich nicht leisten, ihre Mitarbeiter deutlich schlechter zu bezahlen. Schließlich gebe es einen enormen Fachkräftemangel in der Pflege.

In einigen Gebieten lohne es sich auch wegen des nicht vergüteten hohen Fahrtaufwands einfach nicht mehr, einen ambulanten Dienst zu betreiben, sagt Frank Weidner von der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar. Für jede Fahrt müssten die Pflegedienste nämliche etliche Euro drauflegen. Private Unternehmen können sich allerdings in der Regel aussuchen, in welchen Orten sie tätig werden, während die kirchlichen Sozialstationen einen Auftrag zur flächendeckenden Versorgung haben.

Bundesregierung soll mehr Geld bereitstellen

"Es muss mehr Geld ins System", fordert der Pflegewissenschafter Weidner deshalb von der Bundesregierung. Die für die Refinanzierung der Pflegedienste verantwortlichen Kassen geben auch den Kirchen eine Mitverantwortung für deren finanzielle Probleme. Kirchliche Anbieter würden bereits jetzt finanziell besser ausgestattet als die private Konkurrenz, heißt es bei der AOK Rheinland-Pfalz/Saarland. Die kirchlichen Sozialstationen müssten sich aber fragen lassen, ob es zielführend sei, "wenn der Vorstand aus 75- oder 80-jährigen Ehrenamtlichen besteht."

Im Fall der Sozialstation Mainz-Oppenheim entscheidet nicht mehr die Kirche, sondern ein Insolvenzverwalter darüber, ob es künftig noch einen evangelischen Pflegedienst in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt geben wird. Die betroffenen Altenpflegerinnen hoffen noch auf ein gutes Ende. Bislang hat niemand von ihnen gekündigt, bei einem privaten Konkurrenzunternehmen anzuheuern, könnten sich die wenigsten vorstellen. Und von den 200 betreuten Patienten ist auch erst ein einziger wegen der drohenden Pleite zu einem anderen Pflegedienst gewechselt.