Ein Wunder ist geschehen. Genaugenommen zwei Wunder. Inmitten von Tod und Zerstörung, von Elend und Verzweiflung entstand am Montag in der von Taifun Haiyan völlig zerstörten Stadt Tacloban auf der Insel Leyte ein neues Leben. In einem Notlager wurde ein Baby geboren. Die Kleine heißt Bea Joy.
Dem Wunder der Geburt ging das wunderbare Überleben der jungen Mutter voraus. Emily Sagalis hatte das ungeheure Glück, nicht unter den Trümmern von Häusern verschüttet, nicht in der über drei Meter hohen Flutwelle ertrunken, nicht Opfer von umstürzenden Bäumen erschlagen worden, nicht unter den schätzungsweise 10.000 Toten zu sein.
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Drei Tage nach dem schlimmsten Wirbelsturm, der je die Philippinen heimgesucht hat, gibt es immer wieder diese kleinen frohen Botschaften der Hoffnung und des Lebens. Obwohl auf den gesamten Philippinen knapp zehn Millionen Menschen von Haiyan betroffen sind, mindestens 600.000 ihre Häuser und Hütten verloren haben, laut Unicef mehr als vier Millionen Kinder unter sozialen, wirtschaftlichen und seelischen Folgen des Supertaifuns leiden.
Lebenszeichen über Facebook
Ebolg Saplam, der in Cagayan de Oro lebt, erhält von seinen Facebookfreunden viele "Like"-Häkchen und erleichterte Kommentare für die am Montag gepostete Nachricht über das Schicksal seiner Lieben in Tacloban: "Endlich habe ich heute Morgen mit meiner Familie sprechen können. Sie sind alle in Sicherheit ... Danke, Herr. Du bist immer noch unser Erlöser."
Auch Louie Baines Franciscus Morante jubelt am Montagmorgen auf Facebook: "Ich habe gerade eine SMS von meiner Mutter bekommen." Aber Mutter Morante hatte auch weniger schönes aus Tacloban zu berichten, wie der in Cebu lebende Mann schreibt. "Lebensmittelläden sind gepackt voll mit hungrigen Kunden. Überall werden gestohlene Sachen wie Schmuck oder Handys verkauft. Plünderer lauern in den Straßen unserer Stadt. Sie hat Angst, dass durch die vielen Menschen, die in die Stadt strömen, die Kriminalitätsrate in die Höhe schnellt und Nahrungsmittel knapp werden ... Ich hoffe, die Behörden unternehmen was dagegen."
Tacloban ist von der Außenwelt abgeschnitten. Der Flughafen ist zerstört, Telefonleitungen unterbrochen, das Internet zusammengebrochen. Aber seit kurzem gibt es trotzdem wieder die Möglichkeit, mit Menschen in den Ruinen der Stadt in Kontakt zu treten, wie Robert Kressirer weiß. "Das Militär und einige Mobiltelefongesellschaften stellen Verbindungen bereit, die man für kurze Nachrichten benutzen kann", sagt der Landesdirektor der GIZ per Telefon aus seinem Büro in Manila. Kressirer hofft, dass so auch bald das Schicksal vermisster GIZ-Mitarbeiter positiv geklärt werden kann. "Unsere fünf internationalen Mitarbeiter auf Leyte sind wohlauf und aber von einigen der 50 einheimischen Kollegen haben wir seit dem Taifun noch nichts gehört."
Kressirer verbringt diesen Montag mit Krisensitzungen im GIZ-Büro. Dabei geht es weniger um Nothilfe für die von dem tropischen Wirbelsturm verwüsteten Regionen, als um erste Planungen für die Zeit danach. "Die Stärke der GIZ liegt im Wideraufbau. Das fängt mit Aufräumarbeiten an und geht bis zu Projekten zur Wiederherstellung der wirtschaftlichen Lebensgrundlagen." Aber indirekt leistet die GIZ auch Hilfe bei der Nothilfe. "Morgen kommen aus Deutschland Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks an, die wir in die Gegebenheiten einweisen und durch unsere Kontakte zu den Behörden unterstützen werden."
Weltweite Hilfe läuft an
Stärker noch als der Taifun fegt ein Sturm der Hilfsbereitschaft über die Philippinen. Aus den USA, aus Deutschland, aus der EU, aus dem katastrophenerprobten Japan, aus aller Welt treffen Zusagen der Hilfe für die Opfer und den Wiederaufbau ein. Auch Nachbarländer wie Indonesien, das selbst nach dem Tsunami 2004 eine immense internationale Solidarität erfahren hat, machen Hilfszusagen. Zudem helfen die vielen Millionen Auslandsfilipinos, die als Seeleute, als Krankenpfleger, als Hausangestellte, als Bauarbeiter vor allem in den asiatischen Nachbarländern und in den Golfstaaten arbeiten. Die Overseas Filipino Workers (OFWs) organisieren über sozialen Netzwerke im Internet Spendenaktionen für ihre Landsleute.
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Die Philippinen sind Taifune und andere Unbill gewohnt. Es gibt die "magische Zahl 25", wie es ein Freund in Manila formuliert. Das heißt, etwa 25 Taifune pro Jahr sind normal. Danach wird es kritisch. Das könnte in diesem Jahr noch passieren. Haiyan war der 24. Nummer 25 mit dem Namen Zoraida, allerdings mit Windgeschwindigkeiten von rund 50 Stundenkilometern wesentlicher schwächer als der Supersturm vom vergangenen Wochenende, folgt am Dienstag dieser Woche.
Vor fast genau einem Jahr, am 8. Dezember 2012, zerstörte der Taifun Bopha Teile der Insel Mindanao und hielt bis Haiyan, der auf den Philippinen "Yolanda" genannt wird, den Titel "schwerster Taifun aller Zeiten". Zu den Wirbelstürmen, die weit draußen über dem Südpazifik entstehen und über die Philippinen als erstem Land herfallen, bevor sie weiter nach Südostasien und China ziehen, werden die Philippinen auch immer wieder von Vulkanausbrüchen und Erdbeben heimgesucht. Erst am 15. Oktober erschütterte ein schweres Beben der Stärke 7,2 die Insel Bohol.
Für die Filipinos gehören Naturkatastrophen, Zerstörung, Tod und Wiederaufbau seit Menschengedenken zum Kreislauf ihres Lebens und Alltags dazu. "Sich niemals unterkriegen zu lassen ist eine der wertvollsten Eigenschaften der Filipinos", sagt Kressirer und fügt hinzu: "Sie haben einen ungeheuren Überlebenswillen und eine von Grund auf positive Einstellung zum Leben."
Da wird das Baby Bea Joy in Tacloban in der grausigen Katastrophe biblischen Ausmaßes zu einem "Hoffnungsfunken", der die Lebenskraft der Filipinos zum Lodern bringt. Auch der unerschütterliche Glaube an Gott ist in dem zutiefst katholischen Land immer präsent. Erzbischof Jose Palma, Vorsitzender der Bischofskonferenz, beschrieb am Montag in einem Durchhalteappell an die Gläubigen die Widerstandsfähigkeit seiner Landsleute gegenüber Problemen und Naturkatastrophen so: "Die Seele der Filipinos ist stärker als (Taifun) Yolanda."