Brandanschläge auf Kirchen, Vertreibung, Mord: In vielen islamischen Staaten werden Christen Opfer grausamer Gewalt. Das Hilfswerk "Open Doors" warnt: Weltweit muss keine andere religiöse Gemeinschaft eine schlimmere Verfolgung erdulden als die Christen.
Jetzt reagiert der Weltkirchenrat auf die tödliche Gefahr für die Glaubensbrüder: Der größte globale Verband christlicher Kirchen will auf seiner Vollversammlung im südkoreanischen Busan einen Hilfs-Appell für die bedrohten Christen verabschieden. "Es ist die Rolle der Kirchen, die Stimme derjenigen zu sein, die leiden", sagt der Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen, Olav Fykse Tveit.
Bedrückende Fakten
Viele Christen aus der Region fordern: Der Weltkirchenrat muss seine Stimme laut, sehr laut erheben. Denn die Fakten sind zu bedrückend: So wurden Hunderttausende Christen aus dem Irak vertrieben. In Pakistan richtet sich ein Gesetz gegen Gotteslästerung vor allem gegen Christen, aber auch andere religiöse Minderheiten wie Hindus. Vor der Gewalt im Bürgerkriegsland Syrien fliehen immer mehr Christen. Mittlerweile geht die Zahl in die Hunderttausende. Die Nahostbeauftragte des Weltkirchenrates, Carla Khijoyan, befürchtet: "Dem Christentum in Syrien droht die Auslöschung."
###mehr-artikel### Und in Ägypten, Heimat der größten christlichen Gemeinschaft in einem islamischen Land, gehen Gotteshäuser in Flammen auf: Die koptischen Christen geraten in die Mühlen des Konflikts um die Macht in dem bevölkerungsreichsten arabischen Land, sie werden drangsaliert und getötet. "Es ist ganz klar: Der Weltkirchenrat muss uns helfen", fordert Guirgis Ibrahim Saleh. Der Ägypter, Professor für koptische Theologie, betont: "Wir erwarten mehr Solidarität der Kirchen in der Welt mit uns Christen im gesamten Nahen Osten." Der koptische Christ und viele Verantwortliche betonen ausdrücklich: Der Islam sei eine tolerante Religion, die islamistischen Fanatiker bildeten eine Minderheit.
Christen brauchen Schutz
Nur: Die Verabschiedung eines Textes durch Delegierte der 350 Mitgliedskirchen des Ökumene-Dachverbandes alleine reicht nicht aus. Zu oft einigte sich der Kirchenbund in den vergangenen Jahrzehnten auf wohlfeile Dokumente, die in den Archiven der Genfer Zentrale verstaubten. "Der Weltkirchenrat, aber auch die Kirchen vor Ort im Nahen Osten müssen konkret etwas tun", fordert die Nahostbeauftragte des Weltkirchenrates, Khijoyan. So müssten der Weltkirchenrat und die Kirchen vor Ort die Regierungen überzeugen, dass die Christen Schutz brauchen.
"Die Regierungen müssen erkennen, dass die Christen für die Länder des Nahen Ostens eine Bereicherung sind. Sie gehören dazu. Christen und Muslime leben schließlich seit Jahrhunderten Seite an Seite", sagt Khijoyan, die aus dem Libanon stammt. Allerdings hält sie wenig von wirtschaftlichem Druck auf Staaten, in denen Jagd auf Christen gemacht wird: "Bis Sanktionen wirken, vergeht zu viel Zeit. Viele bedrohte Christen können nicht solange warten.?
Sanktionen gegen Verfolger-Länder?
Ganz anders argumentiert der "Außenminister" der russisch-orthodoxen Kirche, Metropolit Hilarion. Der Leiter des Außenamtes des Moskauer Patriarchats fordert entschlossenes Handeln gegen den "radikalen Islamismus". Um die verfolgten Christen zu schützen, müssten alle nur möglichen Mittel und Instrumente eingesetzt werden, diplomatische, humanitäre, ökonomische und andere. Mit anderen Worten: Hilarion kann sich auch Sanktionen gegen Verfolger-Länder vorstellen.
###mehr-links### Der Weltkirchenrat aber kann von Regierungen höchstens internationale Sanktionen gegen andere Regierungen fordern. So wie es der ökumenische Verband zu Zeiten des Apartheidregimes in Südafrika gemacht hatte. Die Aufrufe des Weltkirchenrates gegen den staatlich verordneten Rassismus am Kap trugen zur internationalen Isolierung des weißen Regimes bei. Schließlich verloren das Apartheid-Regime die Macht.
Von Aufrufen zu wirtschaftlichem Druck auf islamische Länder aber will der Weltkirchenrat nichts wissen. Die Gefahr einer Eskalation, so heißt es bei Verantwortlichen hinter vorgehaltener Hand, sei zu groß. Die Leidtragenden einer Zuspitzung wären die Christen in den Ländern, wird befürchtet.