Bei einem Festakt in der Frankfurter Paulskirche ehrte der Börsenverein des Deutschen Buchhandels die Schriftstellerin als "moralisches Gedächtnis" und engagierte Kämpferin für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit. Der Friedenspreis ist mit 25.000 Euro dotiert. Swetlana Alexijewitsch gehört zu den wichtigsten Intellektuellen Weißrusslands. Sie gilt als Chronistin des Zerfalls der Sowjetunion und als mutige Aufklärerin.
###mehr-artikel###Der Vorsteher des Börsenvereins, Gottfried Honnefelder, würdigte den freiheitsliebenden Mut der Preisträgerin. Sie habe jenen Menschen Gehör verschafft, die keine Stimme hätten. Zudem habe sie mit ihrer emotionalisierten Geschichtsschreibung die Lebenswelten ihrer Mitmenschen in Weißrussland, Russland und der Ukraine nachgezeichnet und "in Demut und Großzügigkeit deren Leid und deren Leidenschaft" Ausdruck verliehen.
Alexijewitsch schrieb unter anderem über das Schicksal sowjetischer Soldatinnen im Zweiten Weltkrieg ("Der Krieg hat kein weibliches Gesicht"), den sowjetischen Afghanistankrieg ("Zinkjungen") und die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl ("Tschernobyl. Eine Chronik der Zukunft"). Ihre Bücher wurden in 35 Sprachen übersetzt, einige verfilmt und als Grundlage für Theaterstücke herangezogen. Sie erhielt mehrere europäische Literaturpreise, darunter den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung 1998.
Erschütternde Geschichten
In seiner Laudatio würdigte der Berliner Historiker Karl Schlögel die Preisträgerin als eine Erzählerin realer Lebenswelten. Alexijewitsch müsse ihre erschütternden Geschichten von unterdrückten und misshandelten Menschen nicht erfinden, sie finde sie vor. Aus all dem Stummen gestalte die "Archäologin der kommunistischen Lebenswelt" und Chronistin des "postkommunistischen Stimmengewirrs" in ihren Texten einen vielstimmigen Chor, der von Gewalt, Unterdrückung, Katastrophen und Tod berichte.
Zeit ihres Lebens habe sie im "kommunistischen Versuchslabor" gelebt, sagte Swetlana Alexijewitsch in ihrer Dankesrede. Als "homo sowjeticus" arbeite sie seit Jahrzehnten an einer "russisch-sowjetischen Chronik" - dem Untergang des Sowjetimperiums in einem Meer aus Blut und den gesellschaftlichen Umwälzungen danach. "Ich gehe zu jenen, die keine Stimme haben, ich höre ihnen zu", sagte Alexijewitsch. Sie hoffe, mit Berichten aus dem Leben von "Tausenden Helden" in ihrer Heimat am Aufbau einer demokratischen Zivilgesellschaft beitragen zu können.
Zeitungsreporterin und Lehrerin
Alexijewitsch wurde 1948 in dem ukrainischen Ort Iwano-Frankowsk geboren, wuchs in einem weißrussischen Dorf auf, studierte Journalismus in Minsk und arbeitete als Zeitungsreporterin und zeitweilig als Lehrerin. Alexijewitsch, die in Minsk lebt, gehört im autoritär regierten Weißrussland zur geistigen Opposition. Seit dem Regierungsantritt von Präsident Lukaschenko 1994 können ihre Bücher in Weißrussland nicht mehr erscheinen. Ihr jüngstes Werk "Secondhand-Zeit. Leben auf den Trümmern des Sozialismus" ist auf Deutsch im Hanser-Verlag Berlin erschienen.
Träger des seit 1950 in Frankfurt verliehenen Friedenspreises waren unter anderem der chinesische Dissident Liao Yiwu (2012), der algerische Schriftsteller Boualem Sansal (2011) und der israelische Schriftsteller David Grossman (2010).