UN reden über Syrien statt Kinderarmut

Foto: dpa/Kim Ludbrook
Alle fünf Sekunden stirbt laut den UN weltweit ein Kind unter fünf Jahren. Die UN-Vollversammlung wollte am Dienstag darüber reden - doch nun drängt sich der Konflikt in Syrien in den Vordergrund.
UN reden über Syrien statt Kinderarmut
Der Bürgerkrieg in Syrien wird die Generaldebatte der UN-Vollversammlung ab Dienstag dominieren. Der Kampf gegen die Armut droht aus dem Blickfeld zu geraten.
24.09.2013
epd
Jan Dirk Herbermann

Ban Ki Moon ist ein Diplomat alter Schule. Doch wenn die Rede auf das Morden in Syrien kommt, wird der Generalsekretär der Vereinten Nationen deutlich. "Syrien ist ohne Zweifel die größte Krise der internationalen Gemeinschaft", warnte Ban bei der Eröffnung der 68. UN-Vollversammlung in der vergangenen Woche. An diesem Dienstag will er das Leid in Syrien wieder zur Sprache bringen. Dann treffen in New York mehr als 130 Staats- und Regierungschefs sowie Dutzende Außenminister zur jährlichen Generaldebatte der UN-Vollversammlung ein.

An der Spitze des Trosses: US-Präsident Barack Obama. Aus Berlin wird der scheidende Chef des Auswärtigen Amtes, Guido Westerwelle, erwartet. "Wenn die Führungspersönlichkeiten der Welt sich hier versammeln, werde ich ihnen einen kräftigen Appell zum Handeln an sie richten", verspricht Ban. Syrien wird den UN-Gipfel aller Voraussicht nach beherrschen: Andere brennende Probleme wie der Kampf gegen die Armut könnten laut Diplomaten an den Rand gedrängt werden.

Die Vollversammlung hat nicht die Macht, das Blutvergießen zu stoppen

Die Chancen aber, dass die UN bald eine friedliche Lösung für Syrien finden, stehen nicht gut. Zwar werden viele Politiker vor der Vollversammlung pflichtschuldig die Grausamkeiten beklagen, man wird an die getöteten Kinder, die trauernden Mütter, die gefolterten Väter erinnern. Aber die Vollversammlung hat nicht die Macht, das Blutvergießen zu stoppen.

###mehr-artikel### Der UN-Sicherheitsrat aber könnte konkrete Maßnahmen gegen die Gewalt beschließen. Nachdem die USA und Russland sich auf die Zerstörung der chemischen Waffen des syrischen Machthabers Baschar al-Assad bis Mitte 2014 geeinigt hatten, soll das oberste UN-Gremium jetzt den Abrüstungsfahrplan in einer rechtlich bindenden Resolution verankern.

Die ständigen Ratsmitglieder USA, Großbritannien und Frankreich wollen einen "kräftigen" Beschluss. Falls Assad bei der Zerstörung seines Arsenals täusche und trickse, müsse er mit "Konsequenzen" rechnen, droht US-Präsident Obama. Diese könnten bis zu Militärschlägen reichen. Immerhin erfüllte Syriens Regime fristgerecht die erste Forderung des amerikanisch-russischen Plans: Damaskus übermittelte eine Aufstellung seines Chemiewaffenarsenals an die Organisation für das Verbot chemischer Waffen in Den Haag.

Kinderarmut: Entwicklungsziele werden verfehlt

Die Vetomacht Russland sträubt sich im Sicherheitsrat gegen eine harte Gangart gegenüber ihrem Verbündeten Assad. US-Diplomaten machen aber klar: Nur wenn sich der Sicherheitsrat in der Chemiewaffenfrage einigt, kann ein Prozess für eine friedliche Gesamtlösung des Konflikts an Fahrt gewinnen. Somit ist auch weiter ungewiss, ob und wann die lange geplante Syrien-Friedenskonferenz in Genf zustande kommt. US-Außenminister John Kerry und sein russischer Amtskollege Lawrow wollen in New York einen Termin für die Konferenz finden.

###mehr-links### Wegen der Fokussierung auf Syrien drohen in der UN-Vollversammlung andere Herausforderungen aus dem Blickfeld zu geraten: wie das Erreichen der Millenniumsentwicklungsziele zur Armutsbekämpfung bis 2015. Eigentlich war geplant, ab Dienstag Bilanz zu ziehen und die Debatte über neue Ziele nach 2015 zu beginnen. New York sollte dem Ringen für eine bessere Welt einen Schub geben.

Nötig wäre das: Denn die UN werden einige der zentralen Entwicklungsziele wie eine deutliche Senkung der Kindersterblichkeit verfehlen. Alle fünf Sekunden stirbt laut den UN weltweit ein Junge oder Mädchen unter fünf Jahren an Krankheiten, Geburtskomplikationen oder Unterernährung. Und: "Rund 1,4 Milliarden Menschen haben nicht zuverlässig Strom, 900 Millionen haben keinen Zugang zu sauberem Wasser und 2,6 Milliarden sind ohne ausreichende sanitäre Einrichtungen", beklagt der neue Präsident der UN-Vollversammlung, John W. Ashe. Der Diplomat aus Antigua und Barbuda befürchtet: Im Kampf gegen die Armut läuft die Zeit davon.