"Die Sicherheitsbedürfnisse der USA haben einen so hohen Rang, dass man bereit ist, Leute massiv zu verfolgen, die von der übrigen Welt als Aufklärer wahrgenommen werden", sagte der Kriminalitätshistoriker André Krischer dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Die USA haben weiterhin die Mentalität des Kalten Krieges." An die Stelle der Sowjetunion sei als Feindbild der internationale Terrorismus gerückt.
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Mit Blick auf den früheren US-Geheimdienstmitarbeiter Snowden und Enthüllungen der Plattform Wikileaks würden Bedrohungsszenarien entworfen, "die haarsträubend klingen, aber als Anklage vor Gericht gebracht werden können", erläuterte Krischer. Nach Einschätzung des Historikers, der zur Geschichte des Verrats und der Verschwörung forscht, herrscht in den USA ein konspiratives Denken, das sich bereits in der McCarthy-Ära der 50er Jahre gezeigt habe.
Verschwörungstheorien, nach denen Verräter für eine riesige Bedrohung verantwortlich sind, gebe es vor allem im angelsächsischen Denken, erläuterte Krischer. So hätten im England des 16. und 17. Jahrhunderts die Jesuiten generell unter Verratsverdacht gestanden. Es wurde geargwöhnt, dass sie mit Spanien oder Frankreich kooperieren, um England zu überfallen.
Teile von Politik und Justiz belegten Snowden jetzt wieder mit dem Begriff des "Verräters", sagte Krischer. Verräter seien für sie die "ultimativen Verbrecher dieser Welt". Der Begriff klinge nach den "Volksverrätern" im Nationalsozialismus, schlimmsten Stalinismus-Zeiten oder der Beschimpfung von Deserteuren in der Nachkriegszeit.
"Das ist lange Zeit weg gewesen, und heute kommt es plötzlich wieder", sagte Krischer: "Seit Wikileaks sind die Zeitungen wieder voll von 'Verrätern'." Dabei gebe es eigentlich auch ein positives Verständnis des Worts "Verrat": Danach seien Whistleblower keine Bösewichte, sondern Leute, die aufklären und Missstände aufdecken.