Sozialverbände haben angesichts des wachsenden privaten Reichtums in Deutschland eine Kehrtwende in der Steuerpolitik gefordert. "Es kann nicht sein, dass das Vermögen des Staates immer kleiner wird, während zugleich privater Reichtum durch günstige Besteuerung gefördert wird. Dieser Trend muss gedreht werden", sagte VdK-Präsidentin Ulrike Mascher der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Mittwochsausgabe). Die Diakonie warf der Regierung vor, sie habe keine Konzepte für mehr Steuergerechtigkeit. Unionspolitiker wiesen die Forderung nach höheren Steuern für Reiche zurück.
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VdK-Chefin Mascher machte deutlich, dass viele Kommunen nicht mehr in der Lage seien, ihre Aufgaben zu erfüllen. Diese öffentliche Armut treffe Millionen Menschen, weil sie auf soziale und kulturelle Angebote und Leistungen verzichten müssten. Mascher forderte einen höheren Spitzensteuersatz, eine Vermögensabgabe und eine stärkere Besteuerung großer Erbschaften. Sie drängte zudem auf die Einführung einer Börsenumsatzsteuer.
Folgen von Armut für Millionen von Kindern
Nach vorab bekanntgewordenen Zahlen aus dem Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung verfügen inzwischen zehn Prozent der Deutschen über 53 Prozent des gesamten Privatvermögens. Dagegen kommen 50 Prozent der Bürger nur auf einen Anteil von einem Prozent am Vermögen.
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Die Diakonie betonte, soziale Gerechtigkeit müsse das Kernanliegen der Sozialpolitik bleiben. Es sei völlig unverständlich, dass der Armuts- und Reichtumsbericht "kein Konzept für mehr Steuergerechtigkeit enthält, aber die Wohltätigkeitsaktionen Vermögender ausführlich darstellt", sagte Diakonie-Präsident Johannes Stockmeier in Berlin. Hohe Einkommen und Vermögen müssten stärker an der Finanzierung des sozialen Ausgleichs beteiligt werden.
Frank Bsirske, Vorsitzender der Gewerkschaft ver.di, sagte, in dem Bericht sei die Reichtumsverteilung in Deutschland "noch wohlwollend gerechnet". Nach einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung besitzen die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung sogar zwei Drittel des Gesamtvermögens. Bsirske erinnerte an die Folgen von Armut für Millionen Kinder. Er forderte einen gesetzlichen Mindestlohn von mindestens 8,50 Euro, armutsfeste Sozialeinkommen sowie "deutlich mehr öffentliche Investitionen in Kinderbetreuung, Bildung und Freizeitangebote für Kinder".
Armutsbericht kein Argument für höhere Steuern
Der Wirtschaftsflügel der Union wies die Forderungen von SPD und Gewerkschaften nach einer Vermögenssteuer zurück. Der Vize-Vorsitzende der Unionsfraktion, Michael Fuchs (CDU), sagte der "Berliner Zeitung" (Mittwochsausgabe), ein höherer Spitzensteuersatz und eine Vermögenssteuer träfen die Falschen. Solche Steuerbeschlüsse könnten dazu führen, dass Vermögende aus Deutschland abwandern. Kapital werde auch für Investitionen verwendet und sei daher ein wichtiger Produktionsfaktor.
Der Armuts- und Reichtumsbericht sei kein Argument für höhere Steuern, sagte Fuchs. "Alarmierend wäre der Bericht, wenn die Vermögenden nicht zum Ausgleich beitragen würden", argumentierte der Vertreter des Wirtschaftsflügels in der Union. "Das tun sie aber: Die oberen zehn Prozent in der Einkommenspyramide tragen mehr als die Hälfte des gesamten Einkommensteueraufkommens."