Die Politik müsse dafür sorgen, dass die Sozialversicherung wieder "dem Grundsatz der Solidarität" folge. An diesem Montag will Klaus Wiesehügel, Sozialexperte im Team von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück und Gewerkschaftschef, Borcherts neues Buch "Sozialstaatsdämmerung" vorstellen. Borchert geht mit seiner Forderung über die Pläne der SPD sowie anderer Oppositionsparteien hinaus. Er plädiert für eine Bürgerversicherung für Rente, Krankheit und Pflege mit Beiträgen auf alle Einkommensarten, in die alle Bürger einzahlen.
Borchert: Heutiges System benachteilige die kleinen Leute massiv
Das heutige System, wonach etwa zehn Prozent der Bevölkerung privat versichert sind und auf Arbeitnehmer-Einkommen nur bis zu einer Obergrenze Beiträge erhoben werden, benachteilige die kleinen Leute massiv, sagte Borchert. Die "asozialen Beitragsbemessungsgrenzen" in den Sozialversicherungen müssten abgeschafft werden. Sie führten dazu, dass die höchsten Einkommen - relativ gesehen - am geringsten belastet werden. "Es ist doch ein Irrsinn", sagte Borchert, "dass die zehn Prozent der Einkommensstärksten in diesem Land sich gerade mal zu zehn Prozent an den öffentlichen Lasten beteiligen".
Jeder normale Arbeitnehmer habe zusammengenommen fast 50 Prozent Abzüge von seinem Einkommen. Kapitaleinkünfte seien dagegen nur mit 25 Prozent zu versteuern und frei von Sozialbeiträgen, kritisierte Borchert: "Lebendige Arbeit wird doppelt so hart herangezogen wie Kapitaleinkünfte. Wo leben wir denn eigentlich?"
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Der streitbare Vorsitzende Richter am Hessischen Landessozialgericht hat im Verlauf seiner Karriere dem Bundesverfassungsgericht zwei wegweisende Urteile zur Renten- und Pflegeversicherung abgerungen. Das sogenannte Trümmerfrauenurteil von 1992 und das Pflegeurteil 2001 führten dazu, dass Kindererziehung bei der Rente angerechnet wird und Eltern einen niedrigeren Pflegebeitrag zahlen als Kinderlose. Zuletzt trug Borchert maßgeblich dazu bei, dass das Bundesverfassungsgericht 2010 die Hartz-IV-Regelsätze kippte.