Angesichts der wochenlangen Massendemonstrationen in Brasilien hat Papst Franziskus beim Weltjugendtag zum konstruktiven Dialog zwischen allen Gesellschaftsschichten aufgerufen. "Zwischen egoistischer Gleichgültigkeit und gewaltsamen Protesten gibt es immer eine Möglichkeit: den Dialog", sagte der Pontifex am Samstag (Ortszeit) bei einem Treffen mit Vertretern der Zivilgesellschaft in Rio de Janeiro. Zur Abschlussmesse des Weltjugendtages wurden für Sonntagabend Millionen Gläubige an der Copacabana erwartet.
Bei einer Gebetswache am Strand von Copacabana mit über zwei Millionen Gläubigen rief Franziskus am Samstagabend dazu auf, auf "friedliche und geordnete" Weise für bessere Lebensbedingungen einzutreten. "Verlasst die Straße", rief er den jungen Menschen zu. In den vergangenen Wochen war es in Brasilien zu anhaltenden Massenprotesten gekommen. Millionen Menschen hatten gegen Korruption und für ein besseres Gesundheits- und Bildungssystem demonstriert.
Geste des Respekts der afrobrasilianischen Religion
In seiner sehr politischen Ansprache verwies das Oberhaupt der katholischen Kirche darauf, dass es die Massendemonstrationen von jungen Menschen in allen Teilen der Welt aufmerksam verfolgt habe. Es seien junge Leute, die für Veränderungen einträten, sagte Franziskus und fügte hinzu: "Lasst nicht zu, das andere die Protagonisten werden."
Bei einem Treffen im Stadttheater von Rio de Janeiro empfing Papst Franziskus auch Vertreter von Indianergemeinschaften und der afrobrasilianischen Religion des Candomblé. In der Zeremonie überreichte der Pataxó-Indianer Ubiraí dem Papst einen traditionellen Kopfschmuck, den er selbst von seinem Vater bekommen hatte. Es gebe keine bessere Person als den Papst, um diesen Kopfschmuck zu überreichen, sagte er. Ubiraí und weitere vier Indianer erinnerten an die erste katholische Messe, die am 26. April 1500 in Brasilien gefeiert wurde. Papst Franziskus nahm das Geschenk an und setzte den Kopfschmuck auf.
Erstmals wurde auch ein Repräsentant des Candomblé von einem Papst empfangen. "Das ist ein sehr wichtiger Schritt", sagte der Candomblé-Priester Ivani dos Santos. Es sei eine Geste, die für Respekt der afrobrasilianischen Religion stehe.
Papst-Besuch logistische Herausforderung
Zuvor hatte der Papst in einer Messe vor Bischöfen und Priestern dazu aufgerufen, Diener der Gemeinschaft zu sein und hinaus auf die Straße zu gehen. "Wir können nicht eingeschlossen bleiben in der Pfarrei, in unseren Gemeinschaften, wenn so viele Menschen auf das Evangelium warten." Papst Franziskus zitierte Mutter Teresa, die dazu aufrief, in den Armenvierteln zu dienen. Auch hier mahnte er eine "Kultur der Begegnung" mit den Armen der Gesellschaft an. In der Kathedrale Sao Sebastiao kritisierte er das Ausgrenzen von Alten und Kindern in der Gesellschaft.
Zur Abschlussmesse am Sonntag, ebenfalls am Strand von Copacabana, wurden nochmals bis zu drei Millionen Gläubige erwartet. Nach tagelangem Dauerregen hatten die Veranstalter beschlossen, die Messe von Guaratiba im Westen Rios an die Copacabana zu verlegen. Der seit Wochen mit Tribünen und Lautsprechen hergerichtete "Campus Fidei" ("Heiliges Feld") war völlig vom Regen aufgeweicht. Tausende Gläubige verbrachten schon die Nacht am Strand in Schlafsäcken und Zelten.
Für die Stadtverwaltung der Sechs-Millionen-Metropole Rio ist der einwöchige Papst-Besuch vor allem eine logistische Herausforderung. Oftmals ging in den überfüllten Straßen aber nichts mehr. Auch Franziskus kam mit seinem Papamobil mehrfach nicht vorwärts. Das befürchtete Chaos blieb aber bisher aus.