Kita-Ausbau: "Weder Kinder noch Eltern lassen sich kaufen"

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Manche Eltern können das "Outsourcing" gut organisieren, manche weniger.
Kita-Ausbau: "Weder Kinder noch Eltern lassen sich kaufen"
Ist Deutschland ein Kinderparadies oder völlig kinderunfreundlich? Journalistin Maya Dähne versucht, Kinder und Karriere unter einen Hut zu bringen. Dabei erlebt sie Castings in Kitas und andere Absurditäten. Über ihre Erfahrungen hat sie ein Buch geschrieben und fordert ein Umdenken in der Gesellschaft.

In Ihrem Buch "Deutschland sucht den Krippenplatz" beschreiben Sie die abenteuerliche Suche nach einem Kita-Platz für Ihre Tochter. Sie waren gerade erst aus den USA zurückgekehrt nach Deutschland, in das "Kinderparadies".

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Maya Dähne: Ja, in Amerika gilt: "You're on your own, baby" - Eltern zahlen dort für die Schwangerschaftsvorsorge, für die Geburt und für die Kita ungefähr so viel wie später für die Uni ihrer Kinder. Es gibt keinerlei Familienförderung, keinen Mutterschutz, keine Elternzeit. Dann kamen wir nach Deutschland und plötzlich bekamen wir Kindergeld, Elterngeld, Steuererleichterungen - es war ein Traum! Zumindest für die ersten Wochen. Mit der Zeit fühlte es sich allerdings nicht mehr wie das Paradies, sondern eher wie die Vorhölle an.

Warum?

Dähne: Die Suche nach einem Betreuungsplatz war schlimmer als alle Bewerbungsgespräche, die ich zur selben Zeit hatte. Teilweise waren das richtige Castings. Da wurden in Vorstellungsgesprächen die "Qualifikationen" des Kindes – braucht es noch Windeln, kann es schon laufen – genauso abgefragt wie die der Eltern: Kann der Vater ein Ikea-Regal zusammenbauen, kann die Mutter die Kinderladenwebsite mitbetreuen? Ich habe mir unzählige Einrichtungen angeschaut, von der Tagesmutterwohnung im Kiez bis zur privaten Luxus-Kita mit musikalischer Früherziehung, oder Früh-Chinesisch. Viele Kinderläden, Kitas und Krippen, die ich gesehen habe, waren nicht so, dass ich mein Kind leichten Herzens hätte weggeben wollen.

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Sie nennen in Ihrem Buch die Mitgliederzahlen des Tierschutzbundes und des Kinderschutzbundes – der eine hat 800.000 Mitglieder, der andere 50.000 Mitglieder. Ist Deutschland denn so kinderunfreundlich?

Dähne: Es gibt Befragungen, in denen erschütternd viele Deutsche sagen, dass Kinder ihnen unwichtig sind. Dass Job, Freunde, Urlaub, Auto oder Haus wichtiger sind. Das ist nichts Neues. Aber wenn man es live erlebt, dass Busfahrer und Rentner meckern, weil  ein Kind anfängt zu weinen oder eine stinkende Windel trägt, oder wenn man sieht, in welchem Zustand manche Spielplätze oder Grundschulen sind, dann ist es ein Gefühl, dass in dieser Gesellschaft Kinder als störend, schmutzig, teuer und nervig gesehen werden.

In den USA habe ich eine sehr kinderfreundliche Gesellschaft erlebt. Obwohl es da all diese finanziellen Segnungen nicht gibt, haben die Menschen dort mehr Kinder. Die Frage ist, ob es Geld allein ausmacht. Ich denke: Weder Eltern noch Kinder lassen sich kaufen. Wir brauchen uns nichts vorzumachen: Es geht auch in der Familienpolitik knallhart um Geld - was stecke ich rein und was bekomme ich raus? Abgesehen davon, dass es sich für eine Gesellschaft immer rechnet, in Kinder und in Bildung zu investieren, ist es doch so, dass am Ende des Tages eine Bankenrettung wichtiger ist, als Geld sinnvoll in Bildung und Familienförderung zu stecken.

"Es muss für Eltern problemlos möglich sein, wieder in den Beruf einzusteigen"

Was müsste Ihrer Meinung nach geschehen?

Dähne: Dass Kinder anstrengend, ein Kostenfaktor, ein Karrierehindernis und ein bisschen unzumutbar sind - von diesem Denken müssen wir wegkommen. Wir müssen einsehen, dass Kinder keine Störenfriede sind, oder nur die Rentenzahler von morgen, sondern dass Kinder Zukunft sind. Das ist kein "Sozialtrallalla" .

Übrigens: Nicht nur in Politik und Gesellschaft, auch in der Wirtschaft muss sich vieles ändern. Das Familienministerium zeichnet immer mal wieder besonders familienfreundliche Betriebe aus, nur: in den meisten Büros hat sich noch nicht rumgesprochen, dass es eine familienbewusste Arbeitszeit-Kultur gibt, sondern dort gilt weiterhin: Karriere wird nach 18 Uhr gemacht, Teilzeit ist etwas für Weicheier oder für Mütter, denen ihr fieberndes Kleinkind wichtiger ist als die Vorstandssitzung. Da muss sich ganz viel tun. Die meisten Mütter, die ich kenne, haben ihre Kinder nicht bekommen, um sie kurz nach der Geburt wieder auszusourcen in einen Betriebskindergarten, sondern sie wollen auch Zeit mit dem Kind verbringen. Wir müssen dorthin kommen, dass wir das okay finden.

Es muss für Eltern - auch für Väter! – problemlos möglich sein, wieder in den Beruf einzusteigen, nachdem sie sich um ihr Kind gekümmert haben. Und zwar nicht in einen schlecht gezahlten, unterqualifizierten Teilzeitjob. Eine Baby-Pause ist keine Pause. In dieser Zeit lerne ich als Mutter einiges und eigne mir viele Kompetenzen an, die ich im Grunde in jedem Management-Job brauche.

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Also ist derzeit eher so, dass man sich entscheiden muss – entweder Kind oder Karriere?

Dähne: Es ist zumindest sehr schwierig, beides zu vereinbaren. Es gibt selbstständige Frauen, die sehr erfolgreich sind, weil sie ihre Arbeitszeiten selbst einteilen können. Es gibt sehr erfolgreiche Frauen, die nicht ganz so erfolgreiche Männer geheiratet haben, die sich dann um die Kinder und das bisschen Haushalt  kümmern. Es gibt Frauen, die viel Geld haben und entsprechend das "Outsourcing" so organisieren können, dass sie eine Kinderfrau, eine Haushaltshilfe und einen Chauffeur haben. Dann geht das. Aber für die Durchschnittsfrau in Deutschland - und auch in anderen Ländern - ist das im Jahr 2013 nicht möglich.

Wie haben Ihre Freunde aus USA auf die Nachricht reagiert, dass ab dem 1. August ein Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz gilt?

Dähne: Die schütteln ungläubig den Kopf und können es nicht fassen, dass der Staat Eltern Kinderbetreuungsplätze "schenkt". Auf dem Papier liest sich das ja auch wunderbar. In der Realität ist es ein bisschen anders. Natürlich ist der Ausbau des Betreuungsangebotes ein guter, richtiger Schritt, und vor allem für alleinerziehende Mütter ist er wirklich überlebenswichtig. Mir kommt es nur manchmal so vor, als würde man den Ausbau der Kinderbetreuung zu einer Art Problemlöser für alles machen, was sonst noch auf dem Tisch liegt - die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Gleichberechtigung im Job. Das alles wird mit einem Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz nicht einfach so verschwinden.