Kritik an evangelischer Kirche: Bei Reformation nicht Jan Hus vergessen

Kritik an evangelischer Kirche: Bei Reformation nicht Jan Hus vergessen
Eine Gruppe von Wissenschaftlern aus Tschechien und Deutschland beklagt eine einseitige Ausrichtung des Reformationsjubiläums 2017.

So werde dem tschechischen Reformator Jan Hus, dessen Verbrennung in Konstanz sich 2015 zum 600. Mal jährt, keine Beachtung geschenkt, heißt es in einem in der "Prager Zeitung" veröffentlichten Brief an die Reformationsbotschafterin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann. "Wäre es nicht besser gewesen, von einer Reformationsdekade zu sprechen, statt mit der Lutherdekade sich jahrelang an der Person Luthers abzuarbeiten?" kritisieren die Unterzeichner.

Es sei nicht nachzuvollziehen, dass im Rahmen der zehnjährigen Lutherdekade alle nur erdenklichen Themen und Aktionen bis hin zu "Lutherbier" und "Lutherbrot" angeboten werden, "aber die Verantwortlichen offensichtlich am wichtigsten Wegebereiter der deutschen Reformation kein Interesse zeigen", kritisieren die Hochschulprofessoren für die Fächer Geschichte, Theologie, Slawistik und Germanistik aus Deutschland und Tschechien. Dieses Desinteresse an der böhmischen Geschichte und an Hus habe in Deutschland eine lange Tradition. Während die deutsche Theologie Jan Hus allenfalls als "Vorreformator" gelten lasse, hätten tschechische Theologen "zu Recht von der Böhmischen Reformation als der Ersten Reformation gesprochen".

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Die Lutherdekade, die jedes Jahr einem anderen Thema gewidmet ist, wurde im September 2008 in Wittenberg gestartet. 2017 erinnert die Evangelische Kirche an den 500. Jahrestag des legendären Thesenanschlags Martin Luthers (1483-1546) an der Schlosskirche in Wittenberg. In dem offenen Brief wird gefordert, das Programm der Lutherdekade so zu ändern, das 2015 die Böhmische Reformation den entscheidenden Schwerpunkt bildet. Dass würde auch zur Versöhnung zwischen Tschechen und Deutschen beitragen.

Der tschechische Theologe und Philosoph Jan Hus ist die wohl wichtigste Gestalt der vorreformatorischen Bewegung in Europa. Es wird angenommen, dass er um 1371 in dem südböhmischen Dorf Husinec zur Welt kam. Hus machte Karriere und wurde Rektor der Prager Universität. Er kämpfte für tiefgreifende Reformen in der katholischen Kirche, vor allem gegen Korruption und - wie nach ihm Luther - gegen den Ablasshandel. Auch Hus wollte eine volksnahe Kirche, die Predigt in der Landessprache und die Austeilung des Abendmahls in Brot und Wein.

Zeitzeugen beschreiben ihn als wortgewaltigen Prediger, vor allem für seine tschechischen Landsleute. 1414 musste Hus vor dem Konzil in Konstanz erscheinen. Doch gab man ihm keine Möglichkeit, seine Lehre zu verteidigen. Weil er seine Ansichten nicht widerrufen wollte, wurde er am 6. Juli 1415 auf dem Scheiterhaufen in Konstanz verbrannt. Hus ist bis heute eine Symbolfigur der Tschechen. Sein Todestag wurde nach dem politischen Umbruch von der ersten demokratisch gewählten tschechischen Regierung zum Staatsfeiertag erklärt.