Dass bis zu knapp fünf Millionen Menschen vor allem aus Scham auf Hartz-IV-Leistungen verzichteten, dürfe nicht verwundern, so Becker am Montag in Düsseldorf: "Für viele ist der Gang zur Arbeitsagentur ein Kreuzgang der Demütigung." Becker reagierte auf eine am Wochenende bekanntgewordene Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Auch das Erwerbslosenforum in Bonn gab den Behörden eine Mitschuld an der Verweigerungshaltung vieler Klienten.
Vorwurf an Jobcenter
Martin Behrsing, Sprecher des Erwerbslosenforums, sagte, viele Jobcenter müssten sich den Vorwurf gefallen lassen, "aktiv daran mitzuwirken, einen Leistungsantrag zu verhindern oder Menschen aus dem Leistungsbezug zu drängen". Er forderte erneut höhere Regelsätze für Arbeitslose. Die IAB-Studie habe einmal mehr deutlich gemacht, "dass Hartz IV menschenunwürdig ist".
###mehr-links###Nach den Worten von Diakoniechef Becker erfahren täglich Beratungsstellen , wie Menschen trotz großer Armut vor Hartz IV zurückschrecken. Die Inanspruchnahme erscheine vielen als der letzte Schritt ins soziale Abseits: "In diesem Sozial-Raum der Scham leben Millionen, die unentdeckt bleiben und sich so wenigstens den Rest der Selbstachtung nicht nehmen lassen wollen." Das aber beschäme auch einen Staat, in dem Arbeitslosigkeit nicht selten als selbstverschuldete Misere gebrandmarkt werde.
Die Autoren der Studie, die für das Bundesarbeitsministerium erstellt wurde, schätzen, dass zwischen 3,1 Millionen und 4,9 Millionen Menschen keine Hartz-IV-Leistungen beantragen, obwohl sie einen Anspruch darauf hätten. Damit verzichteten 33 bis 44 Prozent der Berechtigten auf Sozialleistungen. Als Gründe nennt das Institut Unwissenheit, Scham oder eine als gering erwartete Leistungshöhe und -dauer.