Die verantwortliche EKD-Kommission habe heftige Reaktionen erwartet, aber er sei überrascht von dem aggressiven Ton, sagte Jung als ranghöchstes geistliches Kommissionsmitglied in Darmstadt dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die vor einer Woche erschienene "Orientierungshilfe" werte die Familie nicht ab, sondern wolle sie neu denken und stärken.
Die Erklärung der EKD trage sowohl dem gesellschaftlichen Faktum als auch den biblisch-theologischen Erkenntnissen Rechnung, dass Familie in einer Vielfalt von Lebensformen existiere, sagte der Kirchenpräsident. Die Familie könne nicht auf das kleinbürgerliche Ideal aus dem 19. Jahrhundert mit einer festen Rollenverteilung zwischen Mann und Frau reduziert werden. Es komme ethisch darauf an, eine Beziehung "verbindlich, verlässlich, verantwortungsvoll und partnerschaftlich zu gestalten". Mit dieser Beschreibung wolle die Kommission nicht die traditionelle Ehe und Familie schwächen, sondern andere Formen des Zusammenlebens stärken.
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Der institutionelle Schutz von Ehe und Familie sei sinnvoll, betonte Jung. Doch die Gestaltung der historisch gebundenen Ehe und Familie müsse heute weiter gedacht werden. Auch eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft könne die guten Eigenschaften einer Ehe aufweisen. Auch ein kinderloses Ehepaar, das eine alte Tante versorge, stelle eine Familie dar. Hier habe die evangelische Kirche ihr Verständnis von Familie weiterentwickelt.
Kritikern entgegnete der Kirchenpräsident, dass Menschen, die Verantwortung für andere übernehmen, nicht geholfen werde, indem man "eine bestimmte Lebensform über andere erhebt". Auch wolle die Kommission eine falsche Idealisierung des bürgerlichen Ehe- und Familienverständnisses zurückweisen, was etwa die Vorsitzende Christine Bergmann aufgrund ihrer Erfahrungen als Beauftragte des runden Tisches zu sexuellem Kindesmissbrauch eingebracht habe.
Jung weist Kritik an "Orientierungshilfe" zurück
Jung wies den Vorwurf zurück, die EKD entferne sich damit von den biblischen Grundlagen. Auch in der Bibel gebe es vielfältige Familienformen, sagte er. Dort komme etwa die Mehrfrauenehe vor, die Ehelosigkeit Jesu und dessen Kritik der leiblichen Familie oder die Frauengemeinschaft von Maria und Martha. Es wäre eine Engführung, die biblische Setzung der Ehe zwischen Mann und Frau ausschließlich "biologistisch" zu verstehen. Es komme darauf an, dass Menschen grundlegend aufeinander angewiesen seien und dass sie ihre Beziehung dauerhaft und werteorientiert lebten.
Menschen hätten verschiedene sexuelle Veranlagungen und sollten sich für ihre Lebensform frei entscheiden können, sagte Jung. Die Kommission sei sich einig, dass der Weg zur Gleichberechtigung von Homosexuellen beschritten werden müsse, auch theologisch und liturgisch in der Kirche. So sei die Trauung als Segenshandlung nicht von der sexuellen Orientierung der Lebenspartner abhängig. Dies sei jedoch noch nicht in allen EKD-Mitgliedskirchen akzeptiert.