Die Kritik am Positionspapier der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zur Familie reißt nicht ab. Der katholische "Familienbischof" Franz-Peter Tebartz-van Elst mahnte, die Orientierungshilfe führe im Ergebnis zu einer sehr starken Relativierung der lebenslang geübten Treue in Ehe und Familie. "Es macht uns Sorge, dass Ehe hier gerade in ihrer unverwechselbaren Bedeutung geschmälert wird", sagte er am Donnerstag dem Kölner Domradio. Die konservative "Konferenz Bekennender Gemeinschaften" bezeichnete den Text als "unevangelische, schrift- und bekenntniswidrige Orientierungshilfe".
###mehr-artikel###Der Limburger Bischof Tebartz-van Elst äußerte sich zudem besorgt, dass die evangelische und die katholische Kirche seit längerem etwa in bioethischen Fragen nicht mehr zu gemeinsamen Standpunkten gelangten. "Wir kommen offenbar bei essenziellen Fragen, zu denen das Zeugnis von Christen in unserer Gesellschaft gefragt ist, immer weniger zusammen", sagte er.
Der Vorsitzende der "Konferenz Bekennender Gemeinschaften", der Hamburger Pastor Ulrich Rüß, erklärte, das EKD-Papier stehe im Widerspruch zu "eindeutigen Bibel- und Bekenntnisaussagen" Biblische Texte seien hier "antibiblisch uminterpretiert" worden. Die EKD gebe dem "Geist des Bundesverfassungsgerichts" Vorrang vor dem "Geist der Treue zu den Grundlagen der Kirche". Rüß: "Freiheit und Gleichheit werden hier nicht biblisch-theologisch, sondern im Sinne einer modernen Gesellschaft gedacht." Ehe und Familie im herkömmlichen Sinn würden kein Privileg mehr genießen und gleichgeschlechtliche Partnerschaften theologisch als gleichwertig anerkannt. Zudem schade das Familienpapier der Ökumene.
Der Ökumenischen Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK) geht das Papier hingegen nicht weit genug. "Die EKD versäumt es, die naheliegenden Konsequenzen beim Namen zu nennen", teilte die HuK in Recklinghausen mit. Dass die Kirche am Unterschied zwischen Trauungen und Segnungsgottesdiensten festhalte, sei nicht nachvollziebar. Ebenso sei die von manchen Landeskirchen praktizierte Einzelfallentscheidung beim Zusammenleben homosexueller Paare im Pfarrhaus nach der Logik des EKD-Papiers nicht mehr zu rechtfertigen und müsse verändert werden.
Alle Familienformen anerkennen
In dem am Mittwoch vorgelegten Familienpapier ruft die EKD dazu auf, alle Familienformen anzuerkennen und zu stärken. Der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider sagte, alle Familienformen verdienten Respekt, auch die eingetragene Lebenspartnerschaft. Aus der Bibel lasse sich zudem nicht die traditionelle Rollenverteilung zwischen Mann und Frau herleiten, die Jahrhunderte lang die Ehe und das Familienbild geprägt habe. Entscheidend seien vielmehr Verbindlichkeit, Dauer, Vertrauen, Gleichberechtigung und die Sorge füreinander.
Auch der württembergische Landessynodale und Vorsitzende des Evangelischen Gemeinschaftsverbandes "Die Apis", der pietistische Pfarrer Steffen Kern, sagte, in dem Familienpapier werde die Ehe theologisch abgewertet. Positiv zu gewichten sei jedoch, dass die EKD gesellschaftliche Entwicklungen wahrnehme und falsche Idealisierungen von Ehe und Familie hinterfrage. Dennoch könne das Dokument politisch verheerend wirken, da sich ausgerechnet eine der beiden großen christlichen Kirchen zum "Schrittmacher der Kritik an der Ehe" mache. Zum Gemeinschaftsverband "Die Apis" gehören 500 pietistisch geprägte Gemeinschaften in Württemberg sowie im bayerischen Allgäu.